×

Abwarten in Unsicherheit

Die Corona-Krise als Musikschaffender: "Zum Glück nur 50% Ausfall"

Spezial/Schwerpunkt von Doktor Nic
veröffentlicht am 19.03.2020

coronakrise diy musikereinkommen

Die Corona-Krise als Musikschaffender: "Zum Glück nur 50% Ausfall"

Die Bühne, es wird abgebaut. © Romain Hus / Unsplash

Beruflich bin ich zum einen Booker und Promoter, zum anderen PR-Manager und Copywriter. In Zeiten, in denen jede Industrie Kopf steht und wir Menschen aus der Unterhaltungsbranche teilweise um unsere Existenz bangen müssen, geht es mir noch verhältnismäßig gut. Doch wie lange? Die Zukunft ist schwer abzusehen. Bei Backstage PRO berichte ich euch davon, wie mein Berufsleben beeinträchtigt wurde und was ich bisher dagegen unternommen habe.

Booking und Promotion – nur wenige Ausfälle, doch wer weiß wie lange noch

In der Booking-Agentur, in der ich mit zwei weiteren Freiberuflern arbeite, gab es bisher verhältnismäßig wenig Ausfälle in den Monaten März und April (zehn bis zwanzig). Das liegt aber nur daran, dass die meisten Tourneen erst im Mai losgehen. Es hätte uns schlimmer treffen können. Für Anfang Mai/Ende April kommen aber schon die ersten Absagen rein und das obwohl Veranstaltungen derzeit nur bis kurz nach Ostern untersagt sind. Wieso?

Nun, selbst wenn – und das ist immer noch auf wackeligen Beinen – Ende April und Anfang Mai die Konzerte stattfinden, so haben die Veranstalter bereits so viele Einnahmen eingebüßt, dass entweder Gagen neu verhandelt werden müssen oder generell kürzer getreten werden muss. Und das nur, wenn Veranstalter oder Veranstaltungsorte nicht bereits schließen müssen.

"Der finanzielle Supergau steht mir erst bevor, wenn auch im Mai oder im Juni Konzerte ausfallen"

Für mich als Booker fallen Beteiligungen an Gagen im März und April aus. Ich habe vertraglich keine Ausfallregelungen getroffen, weil bei mir vieles auf Vertrauensbasis läuft und man im D.I.Y.-Bereich sowieso weniger auf den finanziellen Aspekt achtet. Auch wenn ich Verträge mache, sind selten hinreichend Regelungen getroffen, wenn ein Konzert aufgrund höherer Macht ausfällt. So viel haben ich und die Promoter bereits lernen können beziehungsweise müssen.

Der finanzielle Supergau steht mir erst bevor, wenn auch im Mai oder im Juni Konzerte ausfallen. Da sind es allein bei mir um die 70 Konzerte, die ausfallen und mit deren Geld ich gerechnet habe. Mein Glück weiterhin: Ich habe kein bares Geld ausgeben müssen. Jedoch sind die Arbeitsstunden für das Organisieren der Tour unwiderruflich weg. Für meine Klienten gebe ich alles, um Ersatztermine zu finden, doch habe ich dann fast doppelte Arbeit geleistet. Dafür kann niemand etwas, aber ärgerlich ist das ungemein.

Auch die Unsicherheit in der Branche macht sich bemerkbar. Entweder es werden weniger Termine aus finanzieller Unsicherheit vergeben oder die Herbsttermine sind jetzt bereits gefüllt mit Ersatzterminen der Bands, deren Tourneen im Frühjahr komplett ausgefallen sind. Das macht es natürlich nicht einfacher, meine Bands regulär in der zweiten Jahreshälfte unterzubringen.

"Mir und meinen Klienten bleibt kaum etwas anderes übrig, als die Situation auszusitzen"

Mir und meinen Klienten bleibt kaum etwas anderes übrig, als die Situation auszusitzen und abzuwarten, was gecancelt wird und was stattfinden wird. Danach wird Schadenbegrenzung begangen. Nervenaufreibend.

Musik-PR: Nicht alles on hold, aber vieles

Das Gute ist, dass ich mich noch auf meine Haupttätigkeit als PR-Manager konzentrieren kann. Werbung, Journalismus und Album-Releases laufen weiter. Aber auch hier merkt man Verunsicherung und Ausfälle.

Die Newsredaktionen sind mehr mit dem Coronavirus beschäftigt als mit neuer Musik. Musikjournalisten schreiben zwar noch, dafür ist der Postweg verlangsamt und man muss sich stärker auf Downloads als Basis von Albumrezensionen konzentrieren.

"Ich bemerke auch Vorsicht bei den Kunden"

Ich bemerke auch Vorsicht bei den Kunden. Wo Telefonkonferenzen, geschäftliche Mittagsessen und fröhliches Herumplanen noch an der Tagesordnung waren, ziehen sich die Kunden teilweise zurück. Bands, Unternehmen, Labels, Agenturen, sie alle haben monetäre oder personelle Ausfälle, die an anderer Stelle kompensiert werden müssen.

Obwohl man jetzt gerade wenigstens gut neue Musik online promoten kann, werden Releases zurückgestellt, weil das Internet voll mit den Nachrichten ist. Außerdem werden ja auch weniger Tonträger verkauft, weil nicht nur in Geschäften die Kundschaft zurückgeht, sondern auch Onlinekäufe stagnieren. Die Gründe für all das sind zahlreich. Geld Sparen, Angst vor Ansteckungen über Post sind nur zwei.

Social Media Contents und Werbeanzeigen werden verschoben, auch teilweise aus Pietätsgründen. "Checkt out our awesome new single and stream it on Spotify" ist zwar eine gute Strategie, um Daheimbleibenden seine Musik zu präsentieren, kommt aber in Krisenzeiten nicht bei jedem allzu positiv an.

Auch als Künstler Ausfälle – was kann ich tun?

Der Umgang mit dem Ausfall:
Leitfaden für selbstständige und freischaffende Musik- und Kulturschaffende in der Coronakrise

Die Bundesregierung verspricht Kleinunternehmen, Einzelunternehmern aus der Unterhaltungs- und Eventbranche sowie Künstlern Hilfe. Es soll günstige KfW-Kredite, einen Rettungsschirm der Künstlersozialkasse sowie eine Soforthilfe für Zahlungsausfälle seitens der GVL geben. Für letztere habe ich am 16.3. einen Mitgliedschaftsantrag losgeschickt. Hier wird aber mit Sicherheit noch geprüft, ob ich für die Soforthilfe in Höhe von 250 Euro in Frage komme.

"Es ist ein Teufelskreis"

Die GVL schützt Künstler und Veranstalter, von Dienstleistern wie Bookern und Managern ist nicht die Rede. Ich habe deshalb aus Künstlerseite Hilfe beantragt, da auch meine eigene Band diverse Konzertausfälle im März und April zu verzeichnen hat, was bei uns zu Ausfällen von Gagen führt, die wir dringend für das Bezahlen anderer Rechnungen benötigt hätten. Außerdem sehen wir uns jetzt mit Stornierungsgebühren für Mietwagen konfrontiert. Stornierungsgebühren, die den Tourbusvermietungen wiederum die Existenz sichern müssen.

Es ist ein Teufelskreis und persönlich kann ich mich noch einigermaßen glücklich schätzen, dass ich dem Veranstalten von Konzerten bis Mitte des Jahres sowieso entsagt hatte. Somit fallen bei mir Gelder aus, doch meine Existenz ist nicht unmittelbar bedroht.

Ein Schlusswort gibt es von meiner Seite noch nicht, denn ich blicke jede Stunde gespannt in meinen Newsfeed und kann nur für die ganze Industrie das Beste hoffen.

Ähnliche Themen

Durchhalten in der Coronakrise: Doro Pesch teilt ihre Tipps zur Motivation

"Versucht positiv zu bleiben!"

Durchhalten in der Coronakrise: Doro Pesch teilt ihre Tipps zur Motivation

veröffentlicht am 18.12.2020   2

Mein Corona-Jahr 2020 als Musiker zwischen Unsicherheit, Glück im Unglück und einigen Gigs

"Wir müssen zeigen, dass es uns weiterhin gibt"

Mein Corona-Jahr 2020 als Musiker zwischen Unsicherheit, Glück im Unglück und einigen Gigs

veröffentlicht am 10.11.2020   7

BMG verzichtet in den USA künftig auf den Tantiemenabschlag

Ein Zeichen für die Künstler/innen

BMG verzichtet in den USA künftig auf den Tantiemenabschlag

veröffentlicht am 12.10.2020

Steckt in der Coronapandemie eine Chance für die lokale Musikszene?

Optimistisches Gedankenspiel

Steckt in der Coronapandemie eine Chance für die lokale Musikszene?

veröffentlicht am 24.07.2020   8

So verfehlen die Corona-Hilfen von Bund und Ländern die Künstler/innen

Bericht aus erster Hand

So verfehlen die Corona-Hilfen von Bund und Ländern die Künstler/innen

veröffentlicht am 15.06.2020

Newsletter

Abonniere den Backstage PRO-Newsletter und bleibe zu diesem und anderen Themen auf dem Laufenden!