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Hier gastieren die Shure Studio Tage "Berlin Edition"

Für Cameron Laing von The Famous Gold Watch – AudioVisual Studios geht Musik vor Musikbusiness

Interview von Reinhard Goebels
veröffentlicht am 02.04.2019

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Für Cameron Laing von The Famous Gold Watch – AudioVisual Studios geht Musik vor Musikbusiness

"Wenn man möchte, dass Sänger ihre beste Leistung abliefern, dreht sich alles um den Ausdruck." – Cameron Laing

"Wir mussten zunächst Ratten vertreiben". Es gab viel zu tun, bis das einzigartige "Gold Watch"-Studiodesign fertig war. Ob sich dieser Aufwand hören lässt? Studiogründer Cameron Laing über die ideale Recording-Atmosphäre und seine Zusammenarbeit mit Shure.

Für die Shure Studio Tage – "Berlin Edition” vergab Shure in Zusammenarbeit mit Backstage PRO abermals ein exklusives Recording-Wochenende an einen vielversprechenden Newcomer-Act. Ort der Recording-Session mit der Gewinnerin des Contests, Franziska Schicketanz, sind diesmal die The Famous Gold Watch – AudioVisual Studios in Berlin.

Wir sprechen mit Cameron Laing, Gründer und ehemaliger Universal-Künstler, über seine Zusammenarbeit mit Shure und die anstehenden Aufnahmen. Zudem wollen wir wissen, was es mit der Bibliothek, der Cocktailbar, den Theatervorhängen und den altmodischen Ledersesseln im Studio auf sich hat – und erfahren mehr über offenbar einen der wichtigsten Mitarbeiter: Alan, die Katze.

Backstage PRO: Cameron, du arbeitest mit Shure für die Shure Studio Tage "Berlin Edition" zusammen. Wie kam es zu dieser Kollaboration?

Cameron Laing: Mark Young, ein US-Amerikaner, der für einen Großteil des YouTube Kanals und der Podcasts von Shure zuständig ist, sah die Bilder von meinem Studio. Anschließend kontaktierte er mich und fragte, ob ein Treffen möglich sei. Er spielte mit dem Gedanken, das Studio als Location für den YouTube-Kanal der Shure MOTIV-Serie zu verwenden. Dabei handelt es sich um tragbare Mikrophone, die beispielsweise mit einem iPhone verbunden werden können, um professionelle Aufnahmen auch unterwegs zu ermöglichen.

Nach unserem Treffen brachte er mich in Kontakt mit Shure Deutschland, weil er mein Studio für besonders und einzigartig hielt und dachte, Shure könnte Interesse daran haben, auf irgendeine Weise mit uns zusammenzuarbeiten. Am Ende boten sie uns schließlich die jetzige Kollaboration an.

Backstage PRO: Wenn wir schon von einzigartigen Charakteristika sprechen: Dein Studio scheint einige davon zu besitzen, angefangen beim Namen: Wie bist du auf "The Famous Gold Watch" gekommen?

Cameron Laing: Nachdem die Räume komplett eingerichtet und dekoriert waren, strahlte alles eine nahezu märchenhafte Atmosphäre aus. Da wollte ich natürlich, dass der Name ebenso einzigartig klingt und nicht nur irgendein willkürliches Wort aus dem Wörterbuch ist.

Er ist eine Art symbolische Geste für meinen Vater, der vor ein paar Jahren verstarb. Nach seinem Tod erbte ich seine goldene Uhr. Sie wurde zunächst gestohlen, von meinem Partner und Videographen Jaime Molleda jedoch letztendlich wieder aufgetrieben. Die Namensgebung ist also eine nicht ganz so offensichtliche Art und Weise die drei elementaren Dinge zu vereinen, die das Studio zu dem gemacht haben, was es heute ist.

"In vielen Studios hat man Angst, seinen Kaffee irgendwo abzustellen”

Backstage PRO: Du legst besonderen Wert auf eine harmonische Inneneinrichtung sowie ein bestimmtes ästhetisches Konzept. Was steckt dahinter?

Cameron Laing: Wenn man möchte, dass Sänger ihre beste Leistung abliefern, dreht sich alles um den Ausdruck. Es kann passieren, dass zwar ein Ton nicht exakt getroffen wird, aber Phrasierung und Emotion einfach perfekt sind. Es geht nur darum, was der Sänger in diesem Moment fühlte. In einem Studio herrscht jedoch zusätzlicher Druck auf einen Künstler, was sich negativ auf seine Performance auswirken kann. Er investiert eine Menge Geld und muss nun den Take seines Lebens abliefern, während ihn alle durch das Fenster anstarren [Anmerkung d. Red.: Tipps gegen Nervosität im Studio gibt es hier].

In vielen Studios herrscht zusätzlich eine ungemütliche, eher klinische Atmosphäre mit weißen Wänden und glänzenden Oberflächen, bei denen man Hemmungen hat, seinen Kaffee irgendwo abzustellen. Hier ist alles so konzipiert, dass es das komplette Gegenteil davon ist. Mein Ziel war es, Künstlern die Erfahrung in einem Studio zu ermöglichen, die ich mir selbst am Anfang meiner Musikkarriere gewünscht habe. Zwei Klaviere, die in einer schönen Bibliothek mit Cocktailbar und Theatervorhängen stehen, machen einfach Lust darauf, sich hinzusetzen und zu spielen.

"In diesem Gebäude gibt es Räume, in denen man sich wie in einem Horrorfilm fühlt.”

Backstage PRO: Beim Betrachten der Bilder scheint es, es als hättet ihr jede Lampe, jeden Ledersessel und jeden Teppich sorgfältig ausgesucht. Wie groß war der tatsächliche Aufwand?

Cameron Laing: Er war enorm. Gerüchten zufolge handelt es sich bei diesem Gebäude um ein ehemaliges Stasi-Archiv. Der Keller war vollkommen heruntergekommen, die Türen haben Gitterstäbe und der Boden ist uneben. Hier gibt es eine Menge an leerstehenden Räumen, in denen man sich wie in einem Horrorfilm fühlt.

Wir mussten zunächst Ratten vertreiben und Wände neu zementieren. Wir haben unheimlich viel renoviert, bevor wir überhaupt mit dem Streichen und Dekorieren anfangen konnten. Zudem haben wir eine Menge Zeit und Geld in das Mobiliar gesteckt. Es sollte alles nicht zu klischeehaft sondern eher zeitlos und klassisch wirken, mit einer Mischung aus Altem, Neuem und Handgemachtem.

Backstage PRO: Würdest du sagen, der Aufwand hat sich gelohnt?

Cameron Laing: Auf jeden Fall. Letztes Jahr waren wir jeden Tag ausgebucht. Wir nahmen teilweise 45 – 60 Acts pro Monat an, weshalb wir zusätzliche Räume einrichten mussten. Das heißt 10-stündige Tages- und 10-stündige Nachtschichten, manchmal parallel dazu ein weiterer Auftrag in anderen Räumen. Die Musiker kommen aus unterschiedlichen Gründen hierher, aber die Ästhetik ist fast immer einer davon. Darüber hinaus hilft das dem Videogeschäft, das wir mit nichtssagenden Räumen so nicht führen könnten.

Backstage PRO: Die Gewinnerin des Shure-Wettbewerbs ist Franziska Schicketanz. Was kann sie deiner Meinung nach von einer Session in deinem Studio erwarten?

Cameron Laing: Sie kann auf jeden Fall eine kreative, entspannte und schöne Atmosphäre erwarten, die ihr ermöglicht, das Meiste aus ihren Songs herauszuholen. Ich hoffe, dass ihr die Aufnahmen Spaß machen und sie vom Endergebnis begeistert sein wird.

"Ein Produzent muss herausfinden, wie sich die Wünsche der Musiker in Worte fassen lassen”

"Ein Produzent muss herausfinden, wie sich die Wünsche der Musiker in Worte fassen lassen" – Cameron Laing

Backstage PRO: Was wird der nächste Schritt sein bezüglich der Aufnahmesession?

Cameron Laing: Als nächstes steht die Vorproduktion an. Der wichtigste Job eines Produzenten, von den technischen Details abgesehen, besteht darin herauszufinden, was die Musiker wirklich wollen und wie sich das in Worte fassen lässt.

Je detaillierter wir im Vorfeld durchgehen können, wie die Produktion aussehen soll, welche Musikstile sie bevorzugt, welche Kick-Drum-Arten, was für ein Feeling ihre Songs haben sollen und wovon sie handeln, desto besser. So kann ich das richtige Verständnis dafür entwickeln, was für ein Ergebnis sie sich wünscht, und sicherstellen, dass ich alles bereit habe.

Backstage PRO: Also liegt dein Fokus mehr darauf, was der Künstler möchte und nicht darauf, was deiner Meinung nach aus Produzentensicht besser für den Song wäre?

Cameron Laing: Bei der Vorproduktion muss man herausfinden ist, was notwendig ist. Manchmal stellt sich dabei heraus, dass mehr Input von meiner Seite gefragt ist. Manche Künstler buchen extra zu diesem Zweck dieses Studio. Dann gibt es wiederum Künstler, die lediglich nach der besten Verwirklichung ihrer Vorgaben suchen. Jeder Künstler hat andere Wünsche.

"Beim Musikbusiness darf die Betonung nicht auf dem falschen Wort liegen”

Backstage PRO: Hast du als Toningenieur eine bestimmte Spezialität?

Cameron Laing: Das wichtigste bei der Studioarbeit ist es, sein Ego zu Hause zu lassen. Es gibt Produzenten, die behaupten, dein Mann für alles zu sein, aber in Wirklichkeit hat jeder Stärken und Schwächen. Meine Stärken liegen eher bei natürlich klingenden Produktionen, also Musik, deren Soundqualität hoch ist, der man aber gleichzeitig anhört, dass sie von Menschen gemacht ist, die mit ihren Instrumenten interagieren.

Für Künstler im Stile eines Justin Timberlake oder einer Taylor Swift würde ich ein anderes Studio empfehlen oder einen anderen Toningenieur buchen, weil das nicht die musikalische Welt ist, in der ich mich schon mein ganzes Leben lang bewege. Man muss ehrlich zu sich selbst zu sein und nicht einfach versuchen jedes Geschäft abzuwickeln. Die Musik muss einen höheren Stellenwert haben als Geld, sonst wird bei "Musikbusiness" die Betonung auf das falsche Wort gelegt.

Backstage PRO: Wann und warum bist du eigentlich in Berlin gelandet?

Cameron Laing: Das ist eigentlich eine lange Geschichte, aber ich versuche mich kurzzuhalten. Meine ganze Band hat in London auf einem Boot gelebt, welches gleichzeitig unser Studio beinhaltete. 2009 gab das Boot jedoch den Geist auf. Es gab keine Möglichkeit, nochmal etwas vergleichbares in London zu finden. Alles war so teuer und man kann Proberäume in London nicht so mieten, wie es etwa in Berlin möglich ist. In London muss man pro Stunde zahlen und das ganze Equipment jedes mal in der überfüllten U-Bahn mitschleppen.

Mein Klavierspieler und ich beschlossen daher zu reisen. Dabei sind wir in Paris gelandet, wo ich schließlich Jaime begegnete. Schon nach kurzer Zeit wurde uns klar, dass wir beide genug von Paris hatten. Deswegen sind wir in den nächsten Bus nach Berlin gestiegen, ohne zu wissen, was uns dort erwarten würde.

"Ich bin nach und nach immer mehr in den Job hineingerutscht”

Backstage PRO: Wie kam es zur Partnerschaft mit Jaime?

Cameron Laing: Ursprünglich bat ich ihn darum, das zu bauen, was einmal meine privaten Räumlichkeiten für das Songwriting werden sollten. Ich selbst kann nicht mal mit einem Hammer umgehen (lacht). Ich habe alles mit seiner Unterstützung und der meiner Freundin entworfen. Jaime verbesserte meine Ideen anschließend weiter und erweckte sie zum Leben.

Als es allmählich die Form eines Studios annahm, planten wir zunächst, dass Jaime ebenfalls als Toningenieur arbeiten würde. Aber sobald er erlernt hatte, mit einer Kamera umzugehen und kurze Videos zu drehen, war klar, dass er ein enormes Talent dafür hat. Die Videoproduktion ist sehr wichtig für das Studio, aber gleichzeitig sehr zeitaufwendig. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, die Arbeit zu teilen – er ist für Video zuständig und ich für Audio.

Backstage Pro: Wie lange existiert das Studio denn schon?

Cameron Laing: Erst seit zwei Jahren. Das erste Jahr war eher ein Gemeinschaftsprojekt. Ursprünglich hatte ich mir hier ja nur ein paar Räume als Orte zum Schreiben genommen. Dann legte ich jedoch meine Musikerlaufbahn ad acta, verbesserte Teile des Aufnahme-Equipments und fing an Freunde aufzunehmen.

Ich sah es weniger als ein Geschäftsmodell, sondern mehr als eine Möglichkeit, ihnen zu helfen und mich zu beschäftigen. Dann erzählten meine Freunde ihren Freunden davon und so weiter. So bin ich nach und nach immer weiter in diesen Job hineingerutscht.

Backstage PRO: Bist du alleine für alle Aufnahmen, Produktionen und die Technik zuständig?

Cameron Laing: Ich übernehme derzeit noch immer die große Mehrheit aller Audio-Jobs. Wir haben hier jedoch mittlerweile ein großartiges Team von Tontechnikern. Ich versuche, mich nach und nach mehr auf die Produktion, die Songwriting-Jobs und die Zusammenarbeit mit den Technikern über die verschiedenen Räume hinweg zu fokussieren.

Viele Singer/Songwriter kommen zwar mit Gitarre und Stimme, sie hätten jedoch gerne eine Band auf ihren Aufnahmen. Dafür sorge ich, indem ich selbst viele der Instrumente einspiele und zusätzlich Musiker buche, mit denen ich zu meiner Zeit als aktiver Künstler gearbeitet habe. Je nach Budget stelle ich also ein zum Projekt passendes Line-Up zusammen und schreibe bei Bedarf die Arrangements.

"Ich mochte es nicht, Konzerte zu geben”

Backstage PRO: Vermisst du es, selbst aufzutreten?

Cameron Laing: Überhaupt nicht. Ehrlich gesagt mochte ich es aus den besagten Gründen nicht, Konzerte zu geben und ins Studio zu gehen. Alles was ich wollte, war kreativ zu sein und für mich selbst Lieder zu schreiben. Der andere Kram hat mich nicht wirklich interessiert. In meiner jetzigen Situation kann ich all die Dinge tun, die mir Spaß machen, ohne mir Gedanken über die sozialen Medien oder die öffentliche Meinung machen zu müssen.

Backstage PRO: Was hat es mit der Katze auf sich, die auf euren Facebook-Bildern zu sehen ist?

Cameron Laing: Wir haben sie im Keller gefunden und adoptiert. Ursprünglich dachten wir, es wäre ein Kater und nannten sie deshalb Alan. Und dann wurde sie schwanger. Für einige Zeit lebte eine ganze Katzenfamilie im Studio. Jaime nahm zwei von den Katzenbabys auf, und die anderen gaben wir an Freunde weiter. Jetzt lebt also nur noch Alan hier. Als die Partnerschaft mit Shure begann und wir ein Fotoshooting machten wählten sie die Bilder mit Alan, der berühmten Studiokatze. Sie ist der eigentliche Star der Show. Einige Künstler haben sogar Lieder nach ihr benannt.

Backstage PRO: Vielen Dank für das Gespräch!

Unternehmen

The Famous Gold Watch - AudioVisual Studios

Tonstudio und Recording in 13088 Berlin

Shure Deutschland

Mikrofone

Artists

Franziska Schicketanz

Ein Bouquet an Emotionen gehüllt in deutschsprachigen Pop aus Köln

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