"Absurdität und Ambivalenz"
Marek Lieberberg kritisiert die staatliche Vernachlässigung der Live-Kultur
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Marek Lieberberg (2016). © Sven Mandel / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)
Die bisher beschlossenen Programme zur Unterstützung der Veranstaltungsbranche sind nicht ausreichend, so der Kern von Lieberbergs Kritik. Darüber hinaus ist der Live Nation-Chef auch enttäuscht von der Ignoranz und Doppelmoral der Gesetzgeber, die die gesellschaftliche Bedeutsamkeit der Live-Branche nicht zu erkennen scheinen.
Unklarheit über Maßnahmen und Möglichkeiten
Seit dem Frühjahr, als die ersten Shows abgesagt wurden, habe sich nicht viel geändert. Das "Katz-und-Maus-Spiel" dieser ersten unsicheren Wochen habe sich "bis heute in Variationen, aber mit gleichem Ergebnis fortgesetzt."
So wurde etwa das Open-Air-Konzert "Give Live A Chance" trotz eines sorgfältig ausgearbeiteten Hygienekonzeptes im letzten Moment durch eine nachträgliche Beschränkung der Kapazität durch die Landesregierung von NRW gekippt – während kurz darauf die Fußballstadien wieder für Fans geöffnet wurden.
'Absurdität und Ambivalenz'
"Ich bin kein Corona-Leugner und verstehe die Notwendigkeit vernünftiger Präventionsmaßnahmen", sagt Lieberberg. Er könne aber nicht nachvollziehen, warum bei Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie mit zweierlei Maß gemessen werde.
In Bahnen und Flugzeugen, sowie im öffentlichen Raum toleriere man Menschenansammlungen, während Live-Veranstaltungen trotz "Übererfüllung von Schutzregeln" nicht genehmigt würden: "Wo man nichts ändern kann oder will, wird weggesehen, dafür gibt man sich bei abstrakten Gefahren als Corona-Hardliner."
Zudem erfahre die Livebranche eine Diskriminierung gegenüber der geförderten Kultur. Erstere sei mit 80 Millionen abgespeist worden, "von denen sicher noch keine 10 Prozent ausgezahlt worden sind, weil das Verfahren so kompliziert ist."
Lieberberg verweist auf die Begeistrung der Menschen für Live-Events und deren zentrale gesellschaftliche Bedeutung. Musik und die direkte Begegnung mit ihr auf Konzerten seien "der Stoff, aus dem unsere Gesellschaft besteht, das was sie im Kern ausmacht, ihre Inspiration und Imagination."
Bessere Konzepte sind notwendig
Die Förderung im Rahmen von "Neustart Kultur" und Kredite für die Veranstaltungsbranche seien unzureichende und schlecht durchdachte Konzepte. "Hilfe kommt nicht schnell genug, nicht umfangreich genug. Und sie kommt im Kleid einer grotesken Bürokratie", kritisiert Lieberberg.
Ein effektiveres Vorgehen sei möglich, sagt er mit Hinblick auf die Schweiz: "Die Veranstalter haben ihre Bücher offengelegt und wurden mit bis zu 80% für ausgefallene Projekte entschädigt."
Solche, auf die Lebensrealitäten der Menschen zugeschnittene, Unterstützung wünsche man sich auch in Deutschland. Rund 1,5 Millionen Menschen hängen von der Livebranche ab und wie ernst die Lage sei machten Bewegungen wie "AlarmstufeRot" nur zu deutlich.
"Es laufen endlich Gepräche mit Parteien, mit dem Wirtschafts- und dem Finanzministerium. Aber bisher fühlte es sich an wie Wassertreten", so Lieberberg. Lobeswert sei unter anderem der 10-Punkte-Plan der Grünen zur Rettung der Veranstaltungswirtschaft.
Ein Neustart ist möglich
Auch wenn Festivals schwer vorstellbar sind, wie Lieberberg einräumt, gebe es für Konzerte mit festen Kapazitäten doch schlüssige Konzepte, wie etwa Maskenpflicht und Alkoholverzicht. Und die Sehnsucht der Menschen nach Live-Events sei trotz der gezeichneten Katastrophenszenarien riesengroß:
"Ich glaube an die Kraft dieser Musik, und ich halte Konzerte für einen wesentlichen Bestandteil einer offenen, leidenschaftlich demokratischen Gesellschaft. Wir werden zurückkommen, da bin ich sicher. Die Frage ist, was auf der Strecke bleibt. Und wer. Wie gesagt: Für Tausende Menschen könnte es bereits zu spät sein."
Lieberbergs Hoffnung bleibt trotz ihrer positiven Konnotation aufgrund der mangelnden Hilfen nicht ohne bitteren Beigeschmack.
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