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Fair Use oder nicht?

Musikunterricht mittels Online-Lessons auf Youtube wird durch Copyright-Beschwerden erschwert

News von Backstage PRO
veröffentlicht am 29.04.2019

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Musikunterricht mittels Online-Lessons auf Youtube wird durch Copyright-Beschwerden erschwert

Paul Davids - How today's copyright policy impacts me. © Screenshot, Paul Davids auf Youtube (https://www.youtube.com/watch?v=JwG0bQ7WC3c)

YouTube-User, die ihre Lessons und Tutorials durch Beispiele aus der Populärmusik illustrieren, sehen sich verstärkt mit Copyright-Beschwerden konfrontiert. Nun wird darüber gestritten: Sind diese Beschwerden überhaupt rechtmäßig?

Content ID

Das Copyright-System auf der Videoplattform YouTube ist verhältnismäßig einfach: Die Nutzerinnen und Nutzer dürfen (im Rahmen geltender Gesetze wie etwa dem Jugendschutz) ihr eigenes Material hochladen und etwa durch Werbeanzeigen monetarisieren. 

Falls die Rechte an dem hochgeladenen Material bei einer dritten Person liegen (also etwa bei einem fremden Musikstück oder -video), wird dies (theoretisch) automatisch von der YouTube-eigenen Software Content ID festgestellt.

Content ID erlaubt es den eigentlichen Rechteinhaberinnen und Rechteinhabern, zu definieren was mit ihrem Content passiert. Die Videos können beispielsweise gesperrt, oder durch die "echten" Rechteinhaber monetarisiert werden. 

Zielscheibe

In vielen Fällen funktioniert dieses System. Wenn nun aber ein hochgeladenes Werk unerkannt bleibt, gibt es natürlich auch die Möglichkeit für Rechteinhaber, dies manuell zu melden. Offenbar wird diese Option zunehmend genutzt. 

Betroffen sind vor allem YouTube-User, die über das Videoportal im weitesten Sinne Musikunterricht anbieten – also beispielsweise Gitarrenstunden, Musiktheorie oder Gehörbildung. Zahlreiche YouTuberinnen und YouTuber benutzen zur Illustration ihres Unterrichts Beispiele aus der populären Musik.

Fair Use

Die Verwendung von Song(fragmenten) als Beispiele oder Illustration fällt im amerikanischen Urheberrecht unter das sogenannte Fair Use-Prinzip. Dies besagt, dass insbesondere kurze Ausschnitte etwa für informative Zwecke auch ohne entsprechende Lizenzierung verwendet werden dürfen. 

Viele Copyright Claims (Urheberrechtsansprüche) erfolgen jedoch, ohne das Fair Use-Prinzip zu beachten. So werden Videos schon aufgrund einzelner verwendeter Licks oder Riffs gemeldet. Wie oben beschrieben wird das gemeldete Video dann entweder gesperrt und/oder die Möglichkeit zur Monetarisierung für den Uploader entfernt.

Der YouTuber Paul Davids beschreibt in einem aktuellen Video, das Ausmaß dieser manuellen Copyright Claims:

Paul Davids - How today's copyright policy impacts me

So beschreibt Davids, dass eines seiner Videos gemeldet wurde, da er darin ein einziges Lick aus einem Eagles-Song nachspielt. Gleiches passierte auch mit einem Video, in dem er ein kurzes Riff aus einem Song von John Mayer im Zuge einer Analyse dieses Riffs nachspielte. 

Ist das noch angemessen?

Am absurdesten ist wohl, dass eines von Davids Videos gemeldet wurde, weil Davids darin einen einzigen Akkord spielt – der so (natürlich) auch in einem geschützten Werk vorkommt. Der Fokus des Videos liegt dabei jedoch weder auf diesem Song noch auf dem Akkord, sondern lediglich auf einer bestimmten Gitarren-Spieltechnik.

Auch der YouTuber Adam Neely wurde bereits von solchen Claims getroffen. Auch Neely analysiert auf seinem Kanal bekannte Lieder, um an diesen beispielhaft musiktheoretische Inhalte zu verdeutlichen.

Doch wie er im Gespräch mit Davids feststellt, wird diese Praxis zunehmend schwieriger: Er kann – aus Angst vor Copyright Claims – weder die originalen Aufnahmen, noch (MIDI-)Cover dieser Songs, noch den Notensatz verwenden, um etwas zu demonstrieren. All diese Varianten werden von Plattenfirmen als Grund gesehen, ein Video zu melden. Für Neely bedeutet dies wiederum den Verlust der Werbeeinnahmen. 

Davids und Neely vergleichen ihren Ansatz beide mit schulischem Musikunterricht und betonen, dass diese Art und Weise des Unterrichts durch ihre Anschaulichkeit viele Vorzüge gegenüber der abstrakten Theorie besitzt.

Risiko

Problematisch für die beiden YouTuber – für YouTube-User insgesamt – ist, dass es erstaunlich schwierig ist, gegen einmal getätigte Copyright Claims vorzugehen. Zwar können diese, durchaus auch mehrfach, angefochten werden, die dahinterstehenden Entscheidungsprozesse sind jedoch alles andere als klar.

Weiterhin riskieren YouTube-Nutzerinnen und Nutzer bei einer solchen Beschwerde stets, dass ihr Kanal (durch die sogenannte "Three Strikes"-Regelung) komplett gesperrt wird, oder sie im schlimmsten Fall in einen Gerichtsprozess verwickelt werden. 

Paul Davids trägt in seinem Video den Wunsch vor, die Urheberrechts-Richtlinien für Content Creators auf YouTube zu lockern, und insbesondere den Beschwerdeprozess zu vereinfachen.

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