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Wider den Flickenteppich

Späte Einsicht: Gesundheitsminister Spahn will einheitliche Zugangsregeln für Veranstaltungen

News von Daniel Nagel
veröffentlicht am 20.09.2021

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Späte Einsicht: Gesundheitsminister Spahn will einheitliche Zugangsregeln für Veranstaltungen

Jens Spahn. © BGM

In einer Telefonkonferenz mit dem Forum Veranstaltungswirtschaft befürwortete Gesundheitsminister Jens Spahn einheitliche Zugangsregeln für den Veranstaltungsbetrieb im ganzen Land und verspricht, Überzeugungsarbeit zu leisten. Doch kommt diese Unterstützung reichlich spät.

Zuletzt herrschte bei den Betreiberinnen und Betreibern der Veranstaltungsbranche dicke Luft. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) stellte sich in einer hitzigen Podiumsdiskussion Ende August Vertretenden der Club- und Kulturszene und bekam deren Frustration, die sich über die letzten 18 Monate Pandemie angesammelt hatte, deutlich zu spüren. Nun macht er Hoffnung auf Besserung, ohne jedoch die sichere Umsetzung garantieren zu können.

Unterschiedliche Voraussetzungen

Die Vertreter des Forum Veranstaltungswirtschaft kritisierten in dem Gespräch mit Spahn, dass es beispielsweise für Spiele der Bundesliga eine deutschlandweit einheitliche Verordnung gibt, während sich die Regeln für kulturelle Veranstaltungen und Wirtschaftsevents (wie Messen) von Bundesland zu Bundesland unterscheiden.

Das ist kein neues Problem. Schon 2020 thematisierte Backstage PRO die Ungleichbehandlung von Sport- und Kulturevents, damals noch unter den Voraussetzungen einer gänzlich ungeimpften Bevölkerung.

Die uneinheitlichen Regelungen in den verschiedenen Bundesländern bedeutet für Tourneeveranstaltende u.a., dass deutschlandweite Touren aktuell noch immer unmöglich sind, da die verschiedenen Konzerte je nach Standort unter vollständig anderen Bedingungen stattfinden müssten – oder unter Umständen gar nicht durchgeführt werden könnten. Diesen "Flickenteppich" kritisierte nicht zuletzt der BDKV scharf.

Einheitliche Regeln?

Spahn reagierte, indem er versprach sich für ganzheitliche Regelungen der Bundesländer zur Durchführbarkeit von Großveranstaltungen einzusetzen. Gleichzeitig machte er jedoch deutlich, dass er die Länder zu nichts zwingen könne. Ähnlich äußerte er sich auch gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe (u.a. Hamburger Abendblatt, Berliner Morgenpost).

Weiterhin erläuterte er, dass er persönlich zwar das 3G-Modell präferiere, er derzeit für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen aber keine andere Möglichkeit als 2G sehe, was bedeute den Zutritt auf Geimpfte und Genesene zu beschränken. 

2G oder 3G?

Verbandsvertreter Marcus Pohl (ISDV) und Jens Michow (BDKV) entgegneten, eine 2G-Regelung schließe große Teile des Publikums aus und weise die Verantwortung den Veranstaltern und Künstlern zu. Spahn entgegnete: "Vier von fünf Erwachsenen sind durchgeimpft", somit könne man Events unter 2G-Bedingungen durchführen.

An diesen Aussagen erstaunt vor allem, dass Jens Michow sich für eine 3G-Regel einsetzt. Er hatte noch vor wenigen Monaten dafür plädiert, Veranstaltenden zu ermöglichen, nur Geimpfte oder Genesene zuzulassen (2G), um damit Veranstaltungsorte wieder bis zur maximalen Kapazität zu füllen – nicht jedoch, ohne zu betonen, dass dies keine Dauerlösung für die Branche sein könne. 

Schritt in die richtige Richtung...

Trotz der Differenzen beurteilten die Verbandsvertreter das Gespräch positiv: "Ich hatte keine großen Erwartungen an dieses Telefonat.", gesteht Jens Michow:

"Aber wenn Minister Spahn bei dem noch anstehenden letzten Gespräch dieser Regierung mit den Regierungschefs der Länder zumindest die Schaffung einheitlicher Öffnungsszenarien für Großveranstaltungen und dazu die Einrichtung einer Arbeitsgruppe der Länder anregt, wäre das eine wertvolle Unterstützung unseres laufenden Dialogs mit den Bundesländern."

Marcus Pohl, Vorsitzender der ISDV ergänzte:

"Wie kein anderes Ministerium ist das Bundesgesundheitsministerium unseren wiederholten Gesprächsangeboten in den vergangenen Monaten stets aus dem Weg gegangen. Auch wenn die Karten in den kommenden Wochen und wohl sogar Monaten völlig neu gemischt werden, haben wir die Tür zum Ministerium nun endlich zumindest einen Spalt geöffnet. Nach der Wahl werden wir dann hoffentlich endlich in einen dauerhaften Dialog eintreten können."

...oder zu späte Einsicht?

Es ist verständlich, dass die Vertreter der Veranstaltungswirtschaft nach den ermutigenden Signalen einen Dialog mit dem Bundesgesundheitsministerium erhoffen. Auf der anderen Seite finden in wenigen Tagen Bundestagswahlen statt, so dass sich diese Hoffnung schnell als Täuschung erweisen kann.

Gesundheitsminister Spahn wird wie seine Minister-Kollegen während der folgenden Koalitionsverhandlungen geschäftsführend im Amt bleiben, aber (je nach Wahlergebnis) nicht mehr über den notwendigen Einfluss verfügen, um die Länder zu einer bundeseinheitlichen Regelung zu überzeugen.

Es kann nicht wegdiskutiert werden, dass Bund und Länder es im Verlauf der Pandemie nicht vermochten, sich mit Blick auf den Herbst und Winter 2021/22 auf deutschlandweit geltende Eckpunkte für Kultur-Veranstaltungen zu verständigen und nur der Sport in den Genuss einer Sonderregelung kam.

Ein verlorener Herbst

Dadurch ist die Veranstaltungswirtschaft ein weiteres Mal benachteiligt und geschädigt worden. Für die meisten Herbsttourneen kommt die Einsicht zu spät, beispielsweise für Die Ärzte, die ihre Hallentour aufgrund der mangelnden Planbarkeit abgesagt haben. 

Einige deutschsprachige Acts wie Beatrice Egli und Roland Kaiser spielen einzelne Konzerte, sagen andere ab und schaffen es dadurch wenigstens einen Teil ihrer Tour planmäßig durchzuführen. Dieser Flickenteppich hätte vermieden werden können, wenn Kultur und Sport gleichermaßen im Fokus der Politiker von Bund und Ländern gestanden hätte.

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