#BoycottSpotify
Spotify-CEO Daniel Ek investiert in Militär-Start-Up, Musiker rufen zum Boykott der Plattform auf
Spotify-Gründer Daniel Ek beim Investor Day im März 2018. © Spotify
Daniel Ek, CEO und Gründer von Spotify, gab am 9. November 2021 bekannt, über seine Investment-Firma Prima Materia 100 Millionen Euro in das Start-Up Helsing zu investieren, das die Effizienz militärischer Technologie mit Hilfe von KI-Lösungen steigern will.
Today, I am proud to announce that @PrimaMateria_ is investing €100m in @HelsingAI & that I am joining the board.
— Daniel Ek (@eldsjal) November 9, 2021
Prima Materia was founded to partner with teams like Helsing. Ambitious, ethical, & driven by a mission to help build a thriving society.https://t.co/46XsanjlLx
Was ist Helsing?
Helsing ist ein Anfang des Jahres 2021 gegründetes Start-Up mit Sitz in München, das unter dem Motto "Künstliche Intelligenz im Dienste unserer Demokratien" KI-Lösungen für die Feindaufklärung entwickeln will.
Gemeint ist damit in erster Linie Software, die Sensordaten von militärischen Fahrzeugen und militärischer Technik wie z.B. Drohnen auswertet und auf deren Grundlage Lagebilder von militärischen Einsatzgebieten erschafft.
Die Software soll militärische Entscheidungsträger unterstützen und nicht zuletzt das Töten von Zivilisten, wie beispielsweise beim Luftangriff bei Kundus geschehen, verhindern – gleichzeitig wird jedoch kritisiert, dass kritische militärische Entscheidungen zunehmend automatisiert werden sollen.
Dr. Gundbert Scherf, einer der Mitbegründer Helsings und ehemaliger Beauftragter des Bundesverteidigungsministeriums, gibt darüber hinaus im Interview mit dem Handelsblatt an, dass sich Helsing "ausdrücklich an demokratische europäische Staaten" richte. So habe das demokratische Europa die Möglichkeit "eigene Standards für Ethik und Transparenz solcher KI zu setzen".
Eks Investmentplan
Diese europäische Ausrichtung von Helsing ist es auch, die das Unternehmen überhaupt für eine Investition seitens Ek bzw. Prima Materia qualifiziert hat: Eks erklärtes Ziel ist es, mit Prima Materia in erster Linie europäische Firmen aus Wissenschaft und Technik zu fördern, da diese im Vergleich zu US-amerikanischen Start-Ups häufig unterfinanziert seien.
Zudem hat Ek seit längerer Zeit Kontakt zu Torsten Reil, dem CEO von Helsing, der erfolgreich in der Gameszene (in der Ek gut vernetzt ist) agiert. Daher erscheint Eks Investment, das ihm auch einen Platz im Vorstand des Unternehmens eingebracht hat, naheliegend.
"Musik wird als Waffe eingesetzt"
Die Investition Daniel Eks blieb freilich nicht unbeachtet: So rufen Spotify-User sowie Musikerinnen und Musiker, deren Werk über Spotify vertrieben wird, unter dem Hashtag #BoycottSpotify dazu auf, Spotify künftig zu boykottieren.
Auch, wenn die Investition selbst natürlich in keinem direkten Zusammenhang mit Spotify steht, zeigen sich viele Menschen unzufrieden mit dem Gedanken, dass die Nutzung des Dienstes, mit dem Ek einen großen Teil seines Vermögens verdient, womöglich potentielle künftige Kriege unterstützt. So gibt der Ambient-Musiker Darren Sangita in einem Interview mit Resident Advisor an:
"Musik wird als Waffe eingesetzt. Das kann ich nicht unterschreiben, also habe ich mich bereits abgemeldet und plane nun, meine gesamte Musik von Spotify herunterzunehmen [...] Wir glauben an Musik als mächtiges Werkzeug für den Frieden, ansonsten ist das ein kompletter Widerspruch zu unserer Musikphilosophie."
Eine Führungskraft eines Plattenunternehmens, die anonym bleiben möchte, erklärte gegenüber Resident Advisor jedoch auch, dass viele Labels aufgrund Spotifys riesigen Anteils am Streaming-Markt zögern, ihren Content von der Plattform zu nehmen. Ihrer Meinung nach schütze eine enorme Monopolmacht Spotify "vor den großen Auswirkungen" einer Boykottbewegung.
Persönliche Entscheidung
Der deutsche Musiker Luis Baltes fasst in einem öffentlichen Facebook-Video nicht nur die Thematik noch einmal zusammen, sondern legt auch dar, wieso er als Musiker Spotify nicht mehr unterstützen möchte. Auch Baltes spricht über die Monopolmacht Spotifys, betont jedoch auch, dass er mit seiner Musik keinen Krieg finanzieren möchte:
Die Kritik steht auch, nicht nur bei Baltes, im Zusammenhang mit der Ausbeutung von Künstlern auf Spotify. Streaming, so Baltes, verzeichne bereits seit langer Zeit einen Boom; Musiker/innen kämen nicht umhin, ihre Musik auf Streaming-Plattformen bereitzustellen.
Doch obwohl diese Musik den Plattformen erst ihre Gewinne ermöglicht, werden die Urheberinnen und Urheber schlecht bezahlt; sie müssen, so Baltes, unter miserablen Bedingungen arbeiten – und dann erfahren, dass das Geld, das eine Plattform wie Spotify durch ihren Beitrag erwirtschaftet und von dem sie nur einen Bruchteil erhalten, an militärische Unternehmen fließen soll.
Es ist genau dieser Fakt, den viele Musikerinnen und Musiker nicht mehr bereit sind, hinzunehmen, und gegen den sie mit Kampagnen wie #BoycottSpotify ankämpfen.
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