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Wegweisendes Urteil

Techno ist Kultur: Berliner Club Berghain gewinnt vor Finanzgericht

News von Theo Müller
veröffentlicht am 27.09.2016

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Techno ist Kultur: Berliner Club Berghain gewinnt vor Finanzgericht

Sind Turntables und Kopfhörer das selbe wie Notenblätter und Dirigentenstab?. © Julien Christ / pixelio.de

Der Berliner Club Berghain hat vor kurzem einen für alle Clubbetreiber und vor allem für die Technokultur wegweisenden Rechtsstreit am Finanzgericht Berlin-Brandenburg geführt – und gewonnen.

Die Frage, die dort vor Gericht geklärt werden musste war, ob der Berliner Kultclub die vollen 19 Prozent Umsatzsteuer abführen muss, so wie die alle normalen Unternehmen, oder ob nicht der vergünstigte Umsatzsteuersatz von 7 Prozent angesetzt werden kann, der kulturellen Einrichtungen wie Theatern, Konzerthäusern und Museen vorbehalten ist. Es galt also vereinfacht gesagt zu klären, ob Techno auch Kultur ist.

U vs. E – die Argumente

Bis 2008 musste das Berghain noch die verringerten 7 Prozent abführen, was dann aber vom Berliner Finanzamt auf 19 Prozent erhöht wurde. Das Ganze sollte sogar rückwirkend passieren. Wie man sich vorstellen kann, kann dies für einen Club schnell existenzbedrohende Auswirkungen haben.

Das zuständige Finanzamt in Berlin hatte damals bestimmt, dass Techno "Unterhaltung" und keine "Kultur" sei. Die Argumente dafür waren, dass das Publikum nicht klatscht und dass Drogen konsumiert werden. Ebenso wurde als Begründung angeführt, dass keine richtige Konzertatmosphäre aufkomme, weil man dem ausübenden Künstler (meist einem DJ) nicht die übliche Aufmerksamkeit schenkt.

Die Finanzbeamten hatten vermutlich eine x-belibige Dorfdisco vor Augen, als sie diese Begründung fanden, sich aber mit der Techno-Kultur mutmaßlich nicht eingehend beschäftigt.

Der Dirigent steht am Turntable

Zum Glück für das Berghain haben die zuständigen Richter am Finanzgericht die Lage anders eingeordnet und dank eines Gutachtens des Spiegel-Redakteurs Tobias Rapp verstanden, wie ein Techno-DJ arbeitet. Die Kreativität eines DJs entspricht demnach der eines Dirigenten. Ob diese Definition auf alle DJ-Tätigkeiten ausgedehnt werden kann, ist allerdings schwer zu beantworten. Beim DJ aus der nächsten Großraum-Diskothek, der einfach nur das die "Hits der 80er, 90er und das Beste von Heute" aneinander reiht, wird diese Art von Kreativität wohl fehlen.

Fakt ist, dass das Berghain aktuell eine Sonderstellung vor allen anderen Berlinern (und vielen restdeutschen) Clubs einnimmt. Das Urteil gilt jedoch als Einzelfall-Entscheidung. Vermutlich wird diese aber dennoch eine wichtige Wirkung auf Finanzämter in anderen Teilen des Landes haben und nicht wenige Clubs werden nun auch versuchen, den vergünstigten Mehrwertsteuersatz zu erhalten.

Was nun Kultur ist und wo bei DJ-Tätigkeiten die Grenze liegt, muss dabei wohl umfangreich diskutiert werden. Vielleicht liegt das Kernproblem aber auch ganz wo anders und man sollte darüber nachdenken, warum wir in Deutschland weiter so sehr an der Unterscheidung zwischen E- und U-Musik festhalten. Wo seht ihr die Grenze? Gibt es diese überhaupt?

Locations

Berghain

Am Wriezener Bahnhof, 10243 Berlin

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