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Gesammelte DIY-Erfahrungsberichte

Touring all over the world, Teil 2: Chancen und Hürden eines Bandtrips auf andere Kontinente

Tipps für Musiker und Bands von Doktor Nic
veröffentlicht am 01.08.2018

tourplanung diy booking

Touring all over the world, Teil 2: Chancen und Hürden eines Bandtrips auf andere Kontinente

Touring all over the world. © dorian2013 / 123RF

Im ersten Teil dieser Reihe haben wir euch von Tour-Erfahrungen in Europa berichtet. Doch wie sieht es aus, wenn man als deutsche DIY-Band damit beginnt, andere Kontinente zu bespielen? Unser Autor hat Infos befreundeter Bands für euch zusammengetragen.

→ Teil 1 verpasst? Lest hier über die Giglandschaft in Deutschland und Europa!

Über den großen Teich: Die USA

Ihr habt es geschafft – ihr habt die Möglichkeit, die Vereinigten Staaten zu bereisen! Auf diese Chance warten viele europäische Bands, denn in den USA winkt der American Dream von Ruhm und Erfolg.

Ganz so ist das dann aber doch alles nicht. Zumindest nicht so einfach. Eine USA-Tour muss ganz anders gebucht und geplant werden, als eine Europa-Tour. Und sieht meist ganz anders aus.

Erste Schritte: Gigs buchen

Auf Clubs oder bestehende Line-Ups in den USA werdet ihr euch kaum initiativ bewerben. Durch andere Künstler, Agenturen, Labels, Medien oder Veranstalter werdet ihr eine Connection über den großen Teich haben und es besteht reges Interesse. Jetzt stellt sich die Frage: wohin? Denn eine Tour durch die kompletten USA ist in der Planung und Durchführung für eine DIY-Band kaum zu schaffen. Aufgrund der enormen Größe der USA lassen selbst die ganz großen Fische von solchen Touren die Finger.

Vielen Musikerkollegen aus Musikrichtungen im punkigen Umfeld berichten vom Lieblingsziel Kalifornien. L.A., San Diego usw. sind teilweise Hochburgen des US-Punks. Eine Westcoast-Tour verspricht das geilste Wetter, coole Leute und eine unglaubliche Zeit. Nimmt man dann auch noch Texas und Nevada mit, lebt man buchstäblich den Traum eines Rockstars.

Beim Booken der Shows geht fast nichts ohne Connections. Der Club in Berlin bekommt monatliche hunderte Anfragen? Egal wie viele, rechne das doppelte oben drauf für jeden Club in Cali. Hier brauchst du erst recht den Kontakt zu Veranstaltern, besser zu Booking-Agenten, die vor Ort sind. Ohne wird es kaum gehen.

Orte gibt es natürlich viele: Eine Eastcoast-Tour beinhaltet New York und Boston. In Boston geht durchaus viel Live-Musik, in New York überraschend wenig. Wer in NYC spielen möchte, sollte sich gleich von Manhattan verabschieden und sich einen Club in Brooklyn suchen.

In Florida gibt es vereinzelt Auftrittsmöglichkeiten, doch auch nicht besonders viele. Im Landesinneren kann man den Raum Chicago oder Detroit versuchen, alles längst nicht mehr so gefährlich, wie es einmal war. In Ohio und Umgebung geht laut Aussagen meiner Freunde nicht viel, dafür in Dakota zum Beispiel.

Als Jazzer muss man natürlich nach Louisiana runter; als Punker hat man da wenig Möglichkeiten, seine Gitarre auszupacken. Auch Städte wie Memphis und Nashville sind touristisch sehr überreizt, sodass ihr auch hier Booker braucht, die die richtigen Fleckchen kennen, nämlich solche, an denen ihr als Tourist achtlos vorbeigehen würdet.

In Kanada in und um Toronto soll es tolle Auftrittsmöglichkeiten geben, doch vom restlichen Kanada kann ich noch nicht berichten.

Die Venues werden andere sein

Was die Clubs angeht, so bieten die USA viele Möglichkeiten, die sich allerdings sehr von denen hier in Deutschland unterscheiden. Sogenannte "Dive Bars" sind erste Anlaufstellen, gerade für Kleinkunst wie Punkrock. Musikvenues wie hierzulande gibt es auch, aber seltener. Meistens greifen die kleinen Promoter auf Bars zurück. Aber auch Theatersääle und dergleichen werden nicht selten für Konzerte umfunktioniert.

Vor Ort

Bevor ich jetzt zur restlichen Planung komme: stellt euch darauf ein, nicht so dolle versorgt zu werden, wie das hier der Fall ist. Die Übernachtungsmöglichkeiten werden selten gestellt und wenn, könnten sie auch mal dreckig sein. Ein Motel ist da schon gut. Verabschiedet euch auch von der Hoffnung auf die Erfüllung eines Catering-Riders.

Vieles zu bedenken: Visum usw.

Da ich hier nicht ins Detail zum Booking gehen kann – teils auch weil mir hier die persönliche Erfahrung fehlt, teils weil ich von befreundeten Bookern nicht alle "Geheimnisse" ausplaudern darf – mache ich mal weiter mit anderen Vorbereitungen. Zum Stichwort Tourplanung kommt da nämlich zum einen die Entfernung der Städte. Schaut man sich die Europa-Tour einer US-Band an, kommt einem das Ganze oft sehr durcheinander vor: Von Amsterdam nach Köln, von Köln nach Hamburg, von Hamburg nach Paris, von Paris nach Berlin. Routing-technisch nicht besonders sinnvoll. Für die US-Combo aber kein Thema. Gigs, die 600 Kilometer voneinander weg sind, sind hier ganz normal. Alles unter 4 Stunden Fahrt ist sogar ziemlich klasse. Bedenkt, dass in den USA mit anderem Maß gemessen wird. Gott sei Dank werden eure Fahrtkosten trotzdem nicht allzu dramatisch sein, denn das Benzin wird weniger kosten als bei uns.

Geld wechseln müsst ihr natürlich auch und das ergibt diesmal mehr Sinn in Deutschland bei der Bank, denn am Flughafen und in den USA selbst werdet ihr schlechtere Kurse kriegen.

Speaking of Flug: denkt dran, dass diese je nach Zielort natürlich ein großer Geldaufwand ist. Die meisten Bands, die ich persönlich kenne und die von Europa aus auf US-Tour gegangen sind, haben das Geld für die Flüge nicht wieder eingespielt bekommen. Die meisten – gilt also nicht für alle. Auch das kommt auf euren Bekanntheitsgrad und auf das Können eures Bookers oder Tourmanagers an.

Die Einreise in Trump-Land

Ist alles gesetzt und gebucht und die Reise rückt näher, gibt es jetzt noch die An- und Einreise in die heiligen USA. Der aller, aller wichtigste Tipp, den ich euch für die Einreise geben kann ist folgender: Lasst Teile eures Gears hier und organisiert eure Tour so, dass sowohl ein Auto als auch eine volle Backline für euch bereit steht.

Wenn ihr so weit seid, eine US-Tour zu buchen, dann könnt ihr auch eine Backline mieten. Vermutlich seid ihr sowieso mit einer weiteren Band auf Tour, die euch aushelfen kann. Auch Merch solltet ihr drüben haben; ob vorgeschickt oder neu produziert. Eine Gitarre könnt ihr womöglich mitnehmen, denn es geht mir nicht um die Nebenkosten der Mitnahme eines Musikinstrumentes im Flieger.

Schon vielen Bands wurde die Einreise verwehrt: sie haben ehrlicherweise gesagt, sie seien eine Band und würden in den USA auf Tour gehen und hatten zuvor nicht die notwendige Bürokratie erledigt!

Ihr solltet euch mit viel Planung eine Arbeitserlaubnis organisieren. Das mag ein langwieriger bürokratischer Aufwand sein, ist aber unbedingt ratsam. Denn mit einer Tour als Musiker bereichert ihr euch ja, oder zumindest könntet ihr euch bereichern. Die Hürden für ein US-Visum sind bekannt, aber Rückreisekosten, Einreisesperren und vielleicht eine unfreiwillige Nacht in Gewahrsam usw. sind auch nicht gerade spaßig – die dortigen Behörden verstehen nämlich überhaupt keinen.

Genauso ist es enorm wichtig, dass eure Ausweise und Reisepässe in jedem Fall noch lange gültig sind. Ist das Ablaufdatum auch nur nah an eurer Ausreisezeit dran, könntet ihr schon Schwierigkeiten bekommen. Und Flugkosten werden nicht erstattet, genauso wenig wie Fixkosten für den Promoter.

Habt ihr die Einreise jedoch geschafft, so steht euch endlich eure Tour bevor.

Mittel- und Südamerika als paradisische Tourorte?

Das Tourland Nummer Eins in Südamerika scheint Brasilien zu sein. Enorm groß und mit vielen Fassetten. In Sao Paolo geht einiges ab, auch in Curitiba und dergleichen mehr. Auf Brasilien greifen viele Bands zurück, um dort eine volle Tour zu spielen, weil es hier noch recht viel Szene gibt. Zwar kann man auch hier nicht mit dem großen Geld rechnen und einige Ecken sind immer noch sehr gefährlich für europäische Touristen. Jedoch hört man absolut nichts Schlechtes über das Tourlife dort. Selbiges hört man aus dem Punkrock in Costa Rica: Publikum das Bock hat, gepaart mit angenehmen Klima. Doch auch hier ist höchste Präzision beim Booken angesagt und alles sollte genau durchgeplant sein.

Erfahrungsbericht lesen

"Es war sehr stressig, aber es war genau das was wir wollten: kein Bandurlaub sondern eine richtige Tour mit allem was dazu gehört."

"2½ Wochen Leben als Rockstars": StereoDrama berichten vom Jahreshighlight Südamerikatour

Mütterchen Russland: lohnt sich ein Besuch?

Ob Ska, Punk, Rock N Roll oder Elektro: viele Bands fahren teilweise schon sehr früh in ihrer Karriere nach Russland. Der Grund? Viel mehr Szene, als man denken möchte und teilweise richtig gut bezahlte Konzerte von privaten Promotern!

Vor einem Trip nach Russland haben gerade Punkbands ziemliche Angst, wegen der strengen Regierung. Doch ich habe bisher von niemandem gehört, dass es Einreiseschwierigkeiten oder Ärger mit der Polizei gab. Im Gegenteil spricht man von Gastfreundschaft und professionellen Venues.

Der einzige Haken: Publikum muss her. Hardcore hat eine kleine treue Szene in den russischen Großstädten und hier wird noch viel krasser abgegangen als bei uns! Ich kenne aber auch Stories von riesigen, aber komplett leeren Hallen. Die Werbemittel scheinen hier etwas anders zu laufen.

→ Video-Tipp: Doku über eine 5000-km-Tour durch Russland

Big in Japan: Die Reise ganz in den Osten

Gerade in Japan geht man ganz anders an Untergrundmusik heran als hierzulande. In einem Land, in dem Death Metal-Bands mangamäßige Vocals mitbringen und gehyped werden wie Götter, haben Leute ein ziemlich großes Verlangen nach Neuem. Gerade europäische Bands können es in Japan überraschend einfach haben, Leute zu ziehen. Habt ihr hier einige gute Kontakte, könnte sich dieser Trip wirklich lohnen. Es gibt nur zu bedenken, dass ohne Dolmetscher nichts geht. Das gilt für die Binnenlandreise als auch für die Kommunikation mit Tontechnikern usw.

Touren in China

Die Einreise nach China gestaltet sich erfahrungsgemäß für tourende Bands als ähnlich schwierig wie in die USA. Habt ihr es dennoch geschafft, sind die wenigen Chinesen, die sich zur Untergrundmusik bekennen, unglaublich dankbar für europäische Bands, die ihre Städte und Clubs bespielen. Macht euch auf crazy crowds und neue kulinarische Eindrücke gefasst, aber auch aufs Draufzahlen – denn hier werden alle bezahlt, nur nicht die Musiker.

Insider-Tipp: besser die Finger von einheimischem Tabak lassen. Fragt mich jetzt nicht wieso.

Australien ist nicht nur für Backpacker

Erstaunlich. Ich kenne ganz wenige Leute, die als Nicht-Australier auf dem kleinsten Kontinent auf Tournee waren. Hier hätte ich am ehesten damit gerechnet, dass es so gut wie keine Auftrittsmöglichkeiten und null Kohle gibt. Stimmt aber nicht!

Tatsächlich geht da unten mehr als man ahnt – man muss es nur wissen und Leute kennen. Gerade wenn man flexibel mit seiner Musik ist, also auch mal Akustiksets an Strandbars spielen kann, kommt man dort wohl sehr gut rum und kann sich auch den ein oder anderen Dollar einsacken.

Das Abenteuer eures Lebens

Verlasst ihr tatsächlich als deutsche Band die EU, werdet ihr mit Sicherheit das Abenteuer eures Lebens haben. Die Angst vor finanziellen Verlusten ist für die meisten mit Sicherheit am größten, aber wenn ihr in Asien oder Amerika Urlaub machen könnt, dann könnt ihr dort durchaus auch Shows spielen.

Es gilt nur mehr denn je, dass ihr echt Leute kennen müsst. Daher ist ein guter Tipp, Bands von außerhalb hierzulande zu supporten und euch Schritt für Schritt Kontakte zu sichern.

Berichtet eure Erfahrungen

Meine Infos beruhen alle auf Erfahrungen, die ich aus verschiedenen individuellen Gesprächen extrahiert habe.

Wer von euch hat andere Erlebnisse gehabt? Sagt ihr: "USA? Niemals!" oder seid ihr, ganz im Stil von Rammstein, in big america erst recht begehrt? Welche anderen Länder könnt ihr noch empfehlen? Kommentiert!

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