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Die Hoffnung auf ein Wiedersehen

Clubaward-Preisträger Colos-Saal stellt wegen Corona vorerst Betrieb ein, Inhaber Berninger kritisiert Politik

News von Backstage PRO
veröffentlicht am 25.05.2020

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Der Colos-Saal Aschaffenburg gibt wegen der andauernden Corona-Krise seine Schließung bis zum 31. August 2020 bekannt. Der Inhaber Claus Berninger macht auf die Versäumnisse der Regierung in der Krise aufmerksam.

In einem Facebook-Post gibt Claus Berninger, Inhaber des Colos-Saal, dessen zeitweise Schließung bis zum 31. August 2020 bekannt. Der Colos-Saal in Aschaffenburg wurde 2019 mit dem BACKSTAGE Clubaward als "Bester Club" ausgezeichnet.

Keine Rechtssicherheit

Berninger gibt an, dass die Verantwortlichen bisher bereits 56 Veranstaltungen wegen der Pandemie absagen mussten, dazu kommen knapp 60 weitere bis Ende August. Diese Unsicherheit sei für eine Live-Spielstätte wie den Colo-Saal untragbar: 

"Wir haben nach wie vor keine Rechtssicherheit bezüglich der Frage, wann wir denn die Arbeit wieder aufnehmen können und werden sie auch in absehbarer Zeit nicht erhalten. Wir steigen vorerst aus, machen eine Pause, warten die weitere Entwicklung ab."

Es mache keinen Sinn, immer nur die nächste Pressekonferenz der Bundesregierung abzuwarten in der Hoffnung, endlich eine maßgebliche Ansage zu erhalten, wie es denn mit der Konzertbranche weiter gehen soll. Beringer sei es leid, immer nur erneut weitere Programmpunkte absagen zu müssen, ohne dass es eine Perspektive für die Zukunft gebe. 

Undenkbare Ansätze

Auch die uneinheitlichen Entscheidungen der einzelnen Bundesländer bezüglich etwaiger Lockerungen werden von Berninger kritisiert. So dürfen etwa in Rheinland-Pfalz ab Ende Juni wieder Veranstaltungen bis 150 Personen stattfinden, in Thüringen sollen die Corona-Beschränkungen ab dem 6. Juni ganz aufgehoben werden, während Bayern die meisten Lockerungen vorerst abblockt

Hier findet ihr unsere Übersicht zur aktuellen Situation in den Bundesländern.

Museen, Theater und Opernhäuser planten, ihren Betrieb unter Beachtung aller Einschränkungen wieder aufzunehmen. Aus diesem Grund sollen einzelne Plätze und ganze Sitzreihen freigelassen und die Säle nicht mehr ausverkauft werden. Doch was in der "Welt der geförderten Kultur" trägt, ist laut Berninger für die privatwirtschaftliche Kulturwelt undenkbar: 

"In der privatwirtschaftlich organisierten Kulturwelt, zu der der Colos-Saal, hunderte andere Live-Music-Clubs und etliche Kabarett- und Kleinkunstbühnen gehören, wäre das finanzieller Selbstmord, ganz abgesehen von der Frage, wovon die zigtausend Künstler und Veranstaltungstechniker überhaupt noch leben könnten, die auf die Spielstätten als temporäre Arbeitsplätze angewiesen sind, wenn es aus Live-Veranstaltungen nichts mehr zu verteilen gäbe."

Es bleibt abzuwarten

Abgesehen von den finanziellen Schwierigkeiten, mit denen eine teilweise Öffnung einhergehen würde, fragt Berninger auch, ob Abstandsregeln bei Rock- und Pop-Konzerten überhaupt funktionieren würden: 

"Wir bringen Menschen zusammen und gerade die Live-Clubs (aber auch die Diskotheken und Bars) existieren überwiegend genau zum gegenteiligen Zweck, nämlich eigentlich um die derzeit propagierte Social Distance zu überwinden."

Berninger verweist auf den von den Betreiber/innen von über 30 deutschen Musikclubs verfassten Brief, in denen Clubs als "kollaborativ gestaltete Räume konkreter Körperlichkeit" definiert werden, und bezeichnet körperliche Nähe von Menschen als die Quintessenz des popkulturellen Nachtlebens. Distanzierte Konzerte und Parties mit Abstandsregeln seien im Colos-Saal nicht vorstellbar. 

Für das Team stehe fest, dass unter den momentane Bedingungen kein Betrieb möglich sei; genausowenig wie eine verfrühte Wiedereröffnung Konzertereignisse in gefährliche Infektionsherde verwandeln dürfe. So hält Berninger fest:

"Wir würden nichts lieber, als sofort wieder weiter arbeiten. Aber sowohl die Eigenverantwortung als auch die politischen Reglementierungen verbieten es uns. Es bleibt vorerst nur der Wartezustand."

"Ein Blindflug ohne Orientierung"

Mit der definitiven Schließung bis Ende August wolle das Colos-Saal-Team in erster Linie für Klarheit beim Publikum sorgen in einer Zeit, in der es Klarheit – gerade in der Live-Branche – nicht gebe. Dazu Berninger:

"Gab es im März und April noch die Hoffnung, im Sommer irgendwie weiter machen zu können, platzt diese Illusion von Woche zu Woche erneut in Endlosschleife und mittlerweile werden Veranstaltungen bereits zum zweiten und dritten Mal verschoben. Wer noch Hoffnung hat, verschiebt vom Sommer auf Herbst und Winter 2020. Viele Teilnehmer trauen diesem Jahr aber gar nicht mehr und suchen Ihr Glück in der Flucht ins kommende Jahr. Ein Blindflug ohne Orientierung der gesamten Konzertbranche nach dem Prinzip Glaube und Hoffnung."

Die Politik sorge innerhalb des Konzertgewerbes, das von akribischer Vorplanung lebt, seit nunmehr 10 Wochen dafür, dass keine Planung möglich sei; eine Unsicherheit, die auf das Publikum übergreife und auch die potentiellen Besucher/innen verunsichere

Seriöse Planung unmöglich

Die Schließung des Colos-Saal sei unumgänglich, schreibt Berninger weiter:

"In dieser Gemengelage ist seriöse Planung nicht mehr leistbar. Wir können nicht irgendwann im Sommer einfach öffnen, denn unser Programm ist wie oben beschrieben zusammengeschmolzen wie Eis in der Sonne und das potentielle Publikum ist stark verunsichert. Wir brauchen Planungsvorlauf zur Wiedereröffnung, ein klares Datum, werden es aber so schnell nicht kriegen."

Die Spielstätte plant die erneute Öffnung mit Programm im September. Zum aktuellen Zeitpunkt sei allerdings nicht abzuschätzen, ob dies tatsächlich möglich sein wird. Bis dahin soll es auf der Internet-Präsenz des Colos-Saal ein Live-Stream-Programm geben.  

Claus Berningers Post auf Facebook

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