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In der Zwickmühle

Lieber 2G Plus: Musikclubs und Diskotheken wollen Maskenpflicht verhindern

Spezial/Schwerpunkt von Daniel Nagel
veröffentlicht am 22.02.2022

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Lieber 2G Plus: Musikclubs und Diskotheken wollen Maskenpflicht verhindern

Solche Bilder rücken angesichts einer drohenden Maskenpflicht in Clubs in weite Ferne. © Edoardo Tommasini via pexels.com

Nach den neuen Beschlüssen von Bund und Ländern zur schrittweisen Aufhebung der Corona-Maßnahmen haben Festivals und Open-Air Events eine klare Perspektive. Ganz anders sieht es bei Veranstaltungen in Innenräumen aus: Insbesondere für Clubs und Diskotheken rückt eine Rückkehr zur Normalität in weite Ferne.

Es sind gute Nachrichten: Trotz hoher Infektionszahlen droht in der Omikron-Welle keine Überlastung der Krankenhäuser oder ein Zusammenbruch kritischer Infrastruktur. Daher ist es nur konsequent, dass Bund und Länder fast alle Corona-Maßnahmen ab dem 20. März 2022 aufheben wollen.

Für die Festivals und Open Air-Konzerte im Sommer 2022 bedeutet das: Wenn sich die Hoffnungen erfüllen und die Belegungszahlen der Krankenhäuser nicht steigen, werden sie unter Vollauslastung stattfinden. Außerdem sind besonders einschneidende Corona-Maßnahmen wie reduzierte Kapazitäten, Maskenpflicht und 2G- oder 3G-Beschränkungen offensichtlich nicht mehr vorgesehen.

Hoffnung auf "normalen" Festivalsommer

Die schwer gebeutelte Konzert- und Festivalbranche hätte dadurch die Möglichkeit, zahlreiche teilweise mehrfach verschobene Open-Air-Tourneen und Festivals endlich durchzuführen und damit zumindest ansatzweise zur vor-pandemischen Normalität zurückzukehren. 

Diese Entscheidung betrifft nicht nur Festivals und Open Air-Konzerte, sondern alle Events unter freiem Himmel wie Volksfeste, Märkte, Umzüge und ähnliches. Nicht nur Bands und Musiker, auch viele andere Kulturschaffende werden diese Nachricht mit Erleichterung aufnehmen.

Weiter Maskenpflicht in Innenräumen?

Während Veranstalter von Open-Air-Events daher vorsichtig optimistisch in die nächsten Monate blicken können, sieht die Lage für Clubs und Diskotheken ganz anders aus. Obwohl auch in diesem Rahmen bald wieder Veranstaltungen ohne Kapazitätsbeschränkung stattfinden sollen, gibt es hier einen Knackpunkt: die Maskenpflicht.

Im gemeinsamen Beschluss von Bund und Ländern heißt es nämlich, dass ab 20. März alle "tiefgreifenderen Schutzmaßnahmen entfallen sollen", gewisse “niedrigschwellige Basisschutzmaßnahmen” aber bestehen bleiben sollen. "Aus Sicht der Länder zählen hierzu insbesondere Maskenpflichten in den geschlossenen Räumen von Publikumseinrichtungen."

Maskenpflicht ja, aber keine Abstands- und Zugangsregeln oder Kapazitätsbeschränkungen - so versteht Kulturstaatsministerin Claudia Roth die Beschlüsse: "Wenn die Situation in den Krankenhäusern dies zulässt, können kulturelle Einrichtungen ab dem 20. März grundsätzlich auf Zugangs- und Kapazitätsbeschränkungen verzichten".

Lieber 2G als Masken

Viele Clubs bevorzugen aber Zugangsregeln wie 2G Plus anstatt einer Maskenpflicht. So erklärt die LiveKomm, der Bundesverband der Musikspielstätten, die Öffnung der Clubs unter 2G Plus-Bedingungen sei temporär ein tragbares Konzept, da in Clubs Eingangskontrollen üblich seien. Eine Maskenpflicht in Clubs habe hingegen zur Folge, dass diese geschlossen blieben. 

Auf den ersten Blick scheint die Idee einer Maskenpflicht in Clubs eine gewisse Logik zu besitzen: Die Maske schützt ja insbesondere dann, wenn Abstand nicht eingehalten werden kann oder soll. Wer allerdings glaubt, dass eine Maskenpflicht in Clubs oder Diskotheken funktionieren kann, der hat sie noch nie besucht.

Wie soll es beispielsweise möglich sein, in einem gut besuchten Club eine Maskenpflicht durchzusetzen? Zudem gehören körperliche Nähe und Intimitäten wie Küssen und der Konsum von (alkoholischen) Getränken zum Clubleben dazu und sind offensichtlich unvereinbar mit einer Maskenpflicht. 

Die Grenzen der Maskenpflicht

Es ist sicherlich möglich, in einem gewissen Rahmen Konzerte in Musikclubs zu veranstalten, bei denen die Maskenpflicht gilt. Das betrifft beispielsweise bestuhlte Konzerte im Jazz, Folk- oder Indie/Pop-Bereich.

Hier zeigt sich ein fundamentaler Unterschied zwischen Clubs und Diskotheken einerseits und Konzert- und Opernhäusern, Multifunktionshallen und Theatern andererseits. Bei Opern, Theateraufführungen, Klassik-Konzerten und allem, was gemeinhin zur "Hochkultur" zählt, ist das Publikum älter und fast durchweg gewillt, eine Maske zu tragen.

Sogar bei Konzerten oder Shows in großen Multifunktionshallen ist das Tragen einer Maske vielleicht nicht erfreulich, aber wohl doch möglich. 

In Musikclubs oder Diskotheken hat sich die Pflicht zum Tragen einer Maske aber schon einmal als nicht praktikabel erwiesen: Als im Herbst 2021 Clubs und Diskotheken kurzzeitig öffnen durften, erkannten Politiker schnell, dass Masken an diesen Orten nicht funktionieren und setzte daher auf Zugangsbeschränkungen wie 3G, 2G und später 2G-Plus.

Einheitliche Regeln nötig

Wie geht es mit den Clubs ab 20. März weiter? Die Antwort hängt davon ab, ob die einzelnen Bundesländer wirklich eine Maskenpflicht für Musikclubs und Diskotheken einführen werden. Dort wo das geschieht, werden viele Clubs sicherlich nicht öffnen bzw. sich auf ein reines Konzertprogramm beschränken. Um massenhafte Insolvenzen der Branche zu verhindern, müssten sie weitere staatliche Hilfen erhalten.

In Hinblick auf deutschlandweite Tourneen wäre es aber auch ein Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen bezüglich des Maskentragens verheerend, da viele Tourneen dadurch unrentabel würden und die betroffenen Clubs abermals in große wirtschaftliche Schwierigkeiten gestürzt würden. 

In ihrer jüngsten Pressemitteilung fordert die LiveKomm daher klare, bundeseinheitliche Regeln. Nur diese können in einem Business mit beträchtlicher Vorlaufzeit eine sichere Planungsgrundlage schaffen.

Im anderen Fall droht, dass sich das Nachtleben dorthin verlagert, wo es weniger oder gar keine Kontrollen gibt: in Privaträume, in Bundesländer mit "lockeren" Regeln und sogar in das europäische Ausland.

Update, 24. Februar 2022: Die neuen Corona-Regeln Baden-Württembergs sehen vor, dass in Clubs Maskenpflicht nur abseits der Tanzfläche gilt. Weitere Infos gibt es hier.

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