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Taylor Swifts Label-Wechsel: So beeinflusst er die Musikindustrie

News von Backstage PRO
veröffentlicht am 23.11.2018

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Taylor Swifts Label-Wechsel: So beeinflusst er die Musikindustrie

Taylor Swift (2017). © Universal Music

Mit dem Wechsel von Big Machine zu dem zur Universal Music Group gehörigen Label Republic Records hat Taylor Swift für einige Bewegung in der Musikindustrie gesorgt.

Ein spannendes Detail an Taylor Swifts Label-Wechsel ist ihre Forderung an die Universal Music Group, die unter Vertrag stehenden Künstler und Künstlerinnen unbedingt an den Erlösen eines Verkaufs von Universals Anteilen an der Streaming-Plattform Spotify zu beteiligen.

Um die Bedeutung dieser Forderung zu erahnen, ist jedoch ein wenig Hintergrundwissen notwendig.

Als die drei großen Major-Labels (Universal, Sony, Warner) 2008 die ersten Lizenzverträge mit Spotify schlossen, erhielten sie gemeinsam einen achtzehnprozentigen Anteil an Spotify. Nach Spotifys Börsengang ist die Höhe des Anteils gesunken; Universal besitzt derzeit noch geschätzte 3,5%.

Ausschüttungen für Künstler und Künstlerinnen

Universal ist außerdem der einzige Major, der noch den vollen Anteil seiner Spotify-Aktien besitzt. Sony hat inzwischen 50% verkauft, Warner sogar 100%. Beide Labels haben einen Teil des Erlöses an die eigenen Künstler und Künstlerinnen ausgeschüttet, jedoch auf unterschiedliche Art und Weise.

Künstler und Künstlerinnen, die bei einem Major-Label unter Vertrag stehen, erhalten oft Vorschüsse seitens des Labels – sei es für Aufnahmen, Videodrehs oder Studiogebühren. Eine Auszahlung der Einnahmen durch vom Label veröffentlichte Songs erfolgt erst, wenn der Vorschuss kompensiert wurde – erst dann macht der Act also Gewinn.

Sony hat bei den Auszahlungen seiner Spotify-Anteile etwaige ausstehende Vorschüsse ignoriert; Musiker und Musikerinnen erhielten also in jedem Fall Geld. Bei Warner hingegen wurden, bevor eine Auszahlung geleistet wurde, erst einmal eventuelle Vorschüsse abbezahlt, sodass nicht jeder Act auch tatsächlich eine Auszahlung erhielt

Taylor Swift hat für den Fall, das Universal seine Anteile verkauft, durchgesetzt, dass das Label ähnlich wie Sony verfährt: Jedem Musiker und jeder Musikerin steht anteilig nach deren Streaming-Performance ein Teil der Einnahmen durch den Verkauf der Spotify-Aktien zu. 

Selbstlos

Music Business Worldwide hat Schätzungen veröffentlicht, wie hoch die Einnahmen Universals bei einem Verkauf der Spotify-Anteile sein könn(t)en – die natürlich den recht starken Schwankungen der SPOT-Aktie unterworfen sind. 

Je nach Verkaufszeitpunkt könnte Universal mit einem Verkauf zwischen 800 und 900 Millionen Dollar einnehmen. Orientiert man sich an den Anteilen, die Sony und Warner an Künstler und Künstlerinnen weitergegeben haben, so dürften dies bei Universal gut 283 Millionen Dollar sein, die an die unter Vertrag stehenden Acts fließen.  

Interessant ist dabei auch, dass Swifts Forderungen gegenüber Universal tatsächlich ziemlich selbstlos zu sein scheinen, da sie vergleichsweise wenig von den Ausschüttungen profitieren wird.

Dies liegt darin begründet, dass Universals Aktien-Einnahmen anteilig zur Streaming-Performance der Musiker und Musikerinnen auf Spotify ausgeschüttet werden. Trotz ihres immensen Erfolges ist diese bei Swift recht dürftig – nicht zuletzt deshalb, weil sie ihren kompletten Backkatalog für mehrere Jahre von Spotify entfernt hatte, um gegen deren kostenloses Angebot zu protestieren. 

Masterhit

Auch Taylor Swifts andere Bedingung an Universal ist durchaus bedeutsam. Der Country-Pop-Star erwirkte mit ihrem Label-Wechsel, dass sie im Besitz ihrer Master-Aufnahmen bleibt. 

Bisher war es gängige Praxis von Major-Labels, dass die Masters von unter Vertrag stehenden Künstlern und Künstlerinnen im Besitz des Labels verbleiben – für deren Lebenszeit und darüber hinaus, im typischen Fall etwa 70 Jahre.

Das bedeutet, dass das Label die Master-Aufnahmen (zumindest in einem gewissen Rahmen) nach Belieben verwerten kann und darf; der Künstler/die Künstlerin erhalten lediglich die vertraglich vereinbarten Tantiemen.

Label Servies

Swift hat für sich nun ein Modell durchgesetzt, dass auch unter dem Namen "Label Services" bekannt ist: Nach einem bestimmten Zeitraum, in dem das Label die Aufnahmen verwenden darf, fallen sie vollständig wieder an den Künstler bzw. die Künstlerin – in diesem Fall also Swift – zurück.

Ein solcher Deal geht meist mit dem Verzicht auf einen Label-Vorzug, wie z.B. Vorschüsse, einher, und ist damit insbesondere für große Stars interessant. Diese erhalten für ihren Verzicht auf Vorschussfinanzierung größere Flexibilität und Selbstbestimmung. 

Bisher schließen vor allem "ältere" Stars (Nick Cave, Janet Jackson, Rick Astley) solche Verträge. Swift könnte aktuell eine Vorreiterrolle für junge Künstler und Künstlerinnen einnehmen, mittels Label Services mehr Selbstbestimmung vom Label einzufordern.

Auch für die Labels ist dies kein schlechter Deal: Der hauptsächliche Profitrahmen für Alben ist der Zeitraum ihrer Veröffentlichung. Laut Music Industry Blog heißt das, dass Labels für die umsatzstärkste Zeit von einem Album profitieren können, um die Rechte danach wieder an den ursprünglichen Schöpfer abzutreten.

Neue Standards

In dieser Hinsicht wagt Billboard einen weiteren Blick in die Glaskugel mit der Frage, wie Taylor Swift die Rechte für ihren Backkatalog – die bisher bei ihrem alten Label Big Machine verbleiben – zurückgewinnen könnte. 

Laut Billboard ist es möglich, dass Swifts neue Heimat Universal Big Machine, und damit die Rechte an Swifts alten Alben, aufkauft – deren Master-Aufnahmen dann vermutlich nach einer gewissen Zeit wiederum an die Sängerin zurückfallen würden. Eine andere Möglichkeit wäre, das Swift selbst das Label kauft.

Big Machine-Gründer und Mehrheitseigner Scott Borchetta fordert derzeit angeblich zwischen 300 und 350 Millionen Dollar.

Laut Stimmen aus der Industrie ist dieser verhältnismäßig hohe Preis ein Signal dafür, dass Borchetta eben nicht nur das Label, sondern explizit auch die Rechte an Swifts Backkatalog mitverkauft. Dies wiederum würde einen neuen Industrie-Benchmark hinsichtlich der Bepreisung von Labels setzen.

Swift zeigt durch ihren Label-Wechsel also, wie sie mit ihrem Status als eine der derzeit erfolgreichsten (und reichsten) Musikerinnen weltweit nachhaltigen Einfluss auf das Musikbusiness und die Künstler und Künslterinnen ausüben kann.

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