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Eine rechtliche Grauzone

Zutritt nur mit Impfung? Veranstaltungsbranche braucht klare gesetzliche Regelungen zu Infektions- und Datenschutz

Spezial/Schwerpunkt von Ralf Kitzberger
veröffentlicht am 16.03.2021

coronakrise Öffnungsperspektiven veranstaltungskonzepte festivalorganisation konzertorganisation liveszene

Zutritt nur mit Impfung? Veranstaltungsbranche braucht klare gesetzliche Regelungen zu Infektions- und Datenschutz

Einlass bald mit Impf-Prüfung? Eine rechtliche Grauzone. © MKB

Kann ein Konzert- oder Eventveranstalter verlangen, dass der Eventbesucher nur dann Zutritt zum Event erhält, sofern er sich gegen Covid-19 hat impfen lassen? Rechtsanwalt Prof. Dr. Ralf Kitzberger geht dieser Frage nach.

Vertragliche Regelungen in Verträgen bzw. AGB zwischen Veranstaltern und Besuchern führen zu schwierigen Auslegungs- und Abgrenzungsproblemen. Es ist die Aufgabe des Gesetzgebers, die Veranstalter von der Last zu befreien, angreifbare vertragliche Regelung zu treffen, um damit ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern. Dabei muss auch die "heilige Kuh" des Datenschutzes kritisch hinterfragt werden.

1. Krisenhafte Ausgangslage

Das Covid-19-Virus hat sich seit mehr als einem Jahr in unserem Leben breitgemacht. Hohe Fallzahlen weltweit, drastische Auswirkungen auf unsere zwischenmenschlichen Beziehungen, Vereinsamung, nie gekannte Einschränkungen unserer Grundrechte und erhebliche Beeinträchtigungen auch für die Veranstaltungsbranche und Kunstbranche.

Veranstalterinnen und Veranstalter auf der ganzen Welt suchen Auswege aus dieser Krise. Eine Möglichkeit könnte die Impfpflicht vor Zutritt bei Veranstaltungen sein. [Mehr dazu: Festivals und Konzerte 2021 zwischen Verboten, Impfungen, Schnelltests und Virus-Mutationen]

Kann ein Veranstalter einen Impfnachweis zur Zugangsbedingung für den Einlass in seine Veranstaltung machen? Zurzeit sondieren Veranstalter und Dienstleister die Möglichkeiten, Veranstaltungen sicher durchführen zu können – bzw. auch mit möglichst wenigen Beschränkungen. Der Besucher muss nachweisen, dass er nicht infiziert oder dass er geimpft ist. Darf ein Veranstalter diesen Nachweis verlangen? Und geht dies mittels der Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder über das Hausrecht?

2. Gesetzgebung plant bisher keine Impfpflicht

Die staatliche Anordnung einer Impfpflicht für bestimmte Bevölkerungsteile oder gar die gesamte Bevölkerung mag aus epidemiologischer Sicht eine sehr effektive Methode der Pandemiebekämpfung sein, aus grundrechtlicher Perspektive ist eine solche Impfpflicht umstritten. In Betracht kommt ein Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit oder andere Grundrechte wie zum Beispiel die Glaubens- und Gewissensfreiheit.

Ein aktuelles Beispiel zu Fragen einer Impfpflicht für bestimmte Bevölkerungsgruppen ist das Masernschutzgesetz, welches aktuell noch Gegenstand von Verfassungsbeschwerden ist. Im Mai 2020 lehnte das Bundesverfassungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab.

In der Entscheidung lehnte das Gericht den Antrag nicht als offensichtlich unbegründet ab, kam jedoch zu der Überzeugung, dass dem Interesse an der Abwehr infektionsbedingter Risiken für Leib und Leben einer Vielzahl von Personen den Vorrang gegenüber dem Interesse, Kinder ohne Masernschutzimpfung in einer Gemeinschaftseinrichtung betreuen zu lassen, Vorrang einzuräumen ist. Ob diese Entscheidung auf eine Impflicht gegen das Covid-19-Virus übertragen werden kann, ist sicherlich fraglich.

Zum jetzigen Zeitpunkt stellt sich diese Frage allerding auch noch nicht, da eine allgemeine Pflicht, sich gegen das Covid-19 Virus impfen lassen zu müssen, vom Gesetzgeber nicht geplant ist.

3. Die Handlungsspielräume der privaten Veranstalter

Mangels staatlicher verordneter Impfpflicht stellt sich die Frage, ob der Veranstalter den Nachweis der Impfung als Voraussetzung für den Zugang zu seiner Veranstaltung vertraglich einfordern kann.

Privatautonomie

Zunächst ist festzuhalten, dass aufgrund der bestehenden Privatautonomie es den Vertragsparteien überlassen ist, was diese in einem Vertrag regeln wollen. Dazu gehört es zur Freiheit jeder Person, nach eigenen Präferenzen darüber zu bestimmen, mit wem sie unter welchen Bedingungen Verträge abschließen will. Dokumentiert wird dieses Recht auch durch das dem Veranstalter zustehende Hausrecht. Das Hausrecht ergibt sich aus §§ 903, 1004 BGB. Im Grundsatz darf der Eigentümer einer Immobilie andere von jeder Einwirkung ausschließen und frei darüber entscheiden, wem er zu welchen Bedingungen den Zutritt zu der Örtlichkeit gestattet und wem er ihn verwehrt. Ein Hausverbot im ausschließlich privaten Bereich ist daher in aller Regel zulässig.

Einschränkungen des Hausrechts

Eine Einschränkung des Hausrechts hat die Rechtsprechung für Massengeschäfte des täglichen Lebens entwickelt. Grund hierfür ist, dass bei einer Öffnung für den allgemeinen Publikumsverkehr die Annahme besonders naheliegt, es sei unter Verzicht auf eine Prüfung im Einzelfall jedem der Zutritt gestattet, der sich im Rahmen des üblichen Verhaltens bewegt.

Abweichungen bedürfen eines sachlichen Grundes. Ein Kunde darf zum Beispiel nicht ohne weiteres am Einkauf im Supermarkt gehindert werden, sondern nur dann, wenn er die Hausordnung nicht einhält oder eines Diebstahls überführt wird.

Bedeutung für Veranstaltungen

Entsprechendes gilt für Veranstaltungen: Wenn einzelne Personen mittels des privatrechtlichen Hausrechts von Veranstaltungen ausgeschlossen werden, die von Privaten aufgrund eigener Entscheidung einem großen Publikum ohne Ansehen der Person geöffnet werden und wenn der Ausschluss für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben entscheidet, dürfen private Veranstalter ihre Entscheidungsmacht nicht dazu nutzen, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund von derartigen Ereignissen auszuschließen.

Der Nachweis der Impfung kann grundsätzlich ein sachlicher Anknüpfungspunkt sein, sodass der Ausschluss nicht geimpfter Besucher jedenfalls nicht willkürlich ist. Die Frage, ob der Ausschluss von Nicht-Geimpften von der Teilnahme an der Veranstaltung diese erheblich in der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt, muss dann für jede Veranstaltung gesondert entschieden werden.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Auf einfachgesetzlicher Ebene setzt das AGG weitere Grenzen, an die sich auch private Veranstalter halten müssen. Die Immunität gegen eine bestimmte Krankheit und der Nachweis durch eine Impfung, wird an sich vom AGG nicht erfasst.

Was gilt aber, wenn sich Besucher einer Veranstaltung zum Beispiel wegen einer Gegenindikation aufgrund einer Behinderung nicht impfen lassen können und somit vom Besuch der Veranstaltung ausgeschlossen werden?

Fazit: Gefahr einer "Zwei-Klassen-Gesellschaft"

Die ausgeführten Auslegungs- und Abgrenzungsschwierigkeiten führen – jedenfalls solange der gesamten Bevölkerung noch kein Impfangebot gemacht werden kann – zu einer Art Zwei-Klassen-Gesellschaft, die so nicht gewünscht ist. Der Gesetzgeber muss hier also einen praxisnahen Rechtsrahmen schaffen, der die genannten Fragen adressiert.

Es muss zudem angemerkt werden, dass es bei der Frage, ob Veranstaltungen durchgeführt werden können, nicht um das Überleben einiger weniger "Veranstaltungskonzerne" oder finanziell abgesicherter Künstler geht. Es geht vielmehr auch um alle anderen, die auf und hinter der Bühne stehen. Vom Tänzer und Beleuchter über den Caterer bis hin zum Würstchenverkäufer in und vor der Halle.

Ein wichtiger Beitrag könnte sein, dass der Gesetzgeber von der "heiligen Kuh" des Datenschutzes Abstand nimmt und seine Versprechen, zum Beispiel die Corona-App effektiver zu machen, umsetzt. Es gibt keine Rechtfertigung, den Datenschutz über die körperliche Unversehrtheit oder das Eigentumsrecht zu stellen. Wenn es zeitlich befristet möglich war, so beispielsweise in Baden-Württemberg, die eigene Wohnung nach 20.00 Uhr nur aus wichtigem Grund zu verlassen, warum ist es dann nicht zumindest für die Dauer der Pandemie zulässig, dass die Daten der Konzertbesucher nach Einwilligung via Corona-App an die Gesundheitsämter übermittelt werden? Und zwar mit dem einzigen Zwecke der "Kontaktnachverfolgung" im Falle der Infizierung?

Die Veranstaltungsbranche hat gezeigt, dass Sie in der Lage ist, Hygienekonzepte umzusetzen und kreative Lösungen zu finden, um den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten und Arbeitsplätze zu sichern. Es ist an der Zeit, dass die Politik und die Verwaltung sich an diesen kreativen, unternehmerischen Lösungen ein Beispiel nehmen.

Über den Autor: Prof. Dr. Ralf Kitzberger ist fest verankert im hochkomplexen Business von Musik, Entertainment, Event und verfügt über ein dichtes Netzwerk bei den führenden Protagonisten der Show- und Entertainmentbranche. Er ist Partner der Kanzlei Schickardt Rechtsanwälte.

Unternehmen

Schickhardt Rechtsanwälte

Sport- und Entertainmentrecht

Anwaltskanzlei in 71638 Ludwigsburg

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