#Saveyourinternet
YouTube verstärkt Protest gegen die EU-Urheberrechtsreform, erhält aber auch Gegenwind
© YouTube (Screenshot)
YouTube kritisiert mit der Kampagne #Saveyourinternet insbesondere Artikel 13 des derzeitigen Entwurfs der europäischen Urheberrechtsreform.
Würde dieser Artikel in seiner jetzigen Form (*.pdf, ab S. 66) in Kraft treten, so könne YouTube laut eigener Aussage nicht mehr in seiner bisherigen Form bestehen. Das gleiche würde auch für andere Plattformen wie etwa Facebook, Vimeo oder Soundcloud gelten.
Die Hintergründe
Mit der Urheberrechtsreform verfolgt die Europäische Union das Ziel, Kreativen in Zukunft den Schutz der eigenen Werke zu erleichtern sowie deren gerechte Bezahlung zu gewährleisten. Dazu soll der Mechanismus, wie mit unerlaubt hochgeladenem Material umgegangen wird, verändert werden.
Die jeweilige Plattform stand bisher in der Pflicht, einen illegalen Upload nach Kenntnis so schnell wie möglich zu löschen. Mit dem neuen Artikel 13 der Urheberrechtsrichtlinie müssten Hosting-Plattformen schon vor Veröffentlichung des Contents aktiv werden. Es müsste also schon während des Uploads sichergestellt werden, dass die hochladende Person alle notwendigen Rechte am jeweiligen Material besitzt.
Panikmache?
Im folgenden Video findet sich eine recht gelungene (und tendenziell neutrale) Zusammenfassung der derzeitigen Situation:
MrWissen2go, der Schöpfer des Videos, reagiert damit auf eine Welle von YouTubern, die – wie auch YouTube selbst – das Ende der Plattform, wie wir sie kennen, prophezeien.
Laut YouTube müsste, träte Artikel 13 in seiner bisherigen Form in Kraft, ein Großteil der Uploads aus Europa aufgrund des zu hohen Risikos, dass der Uploader nicht alle Rechte am Video besitz, blockiert werden. Weiterhin würde der Zugriff für Europäer auf Videos aus dem außereuropäischen Ausland eingeschränkt; innerhalb der EU dürften nur noch Videos mit einwandfreiem Copyright-Status angeschaut werden.
Dies klingt tendenziell einleuchtend: Natürlich sollen Kreative bezahlt werden, wenn jemand anderes ihre Werke nutzt. Auch MrWissen2go geht darauf in seinem Video ein, wenn er behauptet, dass YouTube derzeit zahlreichen Künstlern und Künstlerinnen für ihr Material gar nichts bezahlen würde – und dass sich dies durch eine einfache Einigung mit allen Rechteinhabern klären ließe.
Mission: Impossible
Doch in der Identifikation der Rechteinhaber liegt das große Problem von Artikel 13 begründet. Denn bei der Vielzahl an hochgeladenem Material auf YouTube (derzeit weit über 576,000 Stunden neuer Uploads pro Tag) erscheint es unmöglich, dieses automatsich zweifelsfrei jedem Rechteinhaber zuzuordnen.
Das bisherige System YouTubes, um urheberrechtlich geschütztes Material zu identifizieren ("Content ID"), scannt sämtliche hochgeladenen Videos nach bekanntem Content und ordnet diesen den jeweiligen Rechteinhabern zu, die den Inhalt dann monetarisieren können.
Etwa bei unbekannteren oder älteren Musikstücken ist dies allerdings problematisch, da dafür eventuell kein Content ID-Referenzmaterial vorliegt.
Um eine reibungslose (und im besten Fall vollumfängliche) Zuordnung von Content und Urheber zu leisten, würde YouTube ein System benötigen, das sämtliche urheberrechtlich geschützen Materialen und Lizenzinhaber kennt bzw. erkennt.
Viele Beobachter halten dies für ein Ding der Unmöglichkeit – nicht umsonst hat die amerikanische Regierung mit dem Music Modernization Act gerade ein Gesetz veröffentlicht, dass es zukünftig vereinfachen soll, Rechteinhaber zu identifizieren.
YouTube in Panik
Aus diesem Grund hat YouTube auch schon vor seiner #Saveyourinternet-Kampagne an zahlreichen Stellen Kritik an der geplanten Urheberrechtsreform geltend gemacht. Susan Wojcicki, CEO von YouTube, sprach mit ihrem langen Blog-Post hauptsächlich die Kreativen und deren mögliche Bedrohung durch Artikel 13 an.
Lyor Cohen, YouTubes Global Head of Music, gab an, in den letzten zwölf Monaten gut 1,8 Milliarden Dollar an Werbeeinnahmen an Rechteinhaber ausgeschüttet zu haben. Über sechs Milliarden Dollar sollen bisher an die Musikindustrie geflossen sein, drei Milliarden davon allein durch Content ID. Diese Zahlungen seien durch die Urheberrechtsreform akut bedroht.
Quo vadis?
MrWissen2go ist definitiv darin zuzustimmen, dass YouTubes #Saveyourinternet-Kampagne vor allem als Lobbying-Maßnahme eines Unternehmens mit primär wirtschaftliche Interessen zu sehen ist – und damit mit Vorsicht genossen werden sollte.
Nichtdestotrotz bleibt die Frage bestehen, wie mit nutzergeneriertem Content, der auf urheberrechtlich geschütztem Material basiert, in Zukunft umgegangen werden kann und soll. Denn YouTubes Argument, dass die bisherige, häufig unklare Rechtesituation keine vollständige und fehlerfreie Identifikation von Urhebern ermöglicht, ist schwer zu entkräften.
Die europäische Urheberrechtsreform, über die derzeit noch im sogenannten Trilog verhandelt wird, muss dieser Situation, wenn sie ein faires Verhältnis zwischen Urhebern und Plattformen wie YouTube herstellen soll, definitiv stärkere Aufmerksamkeit schenken. Der derzeitige Entwurf bedarf also definitiv noch einer Überarbeitung.
Eine Petition, die die Reform vollständig stoppen möchte, ist auf Change.org zu finden und zählt derzeit schon über 2.500.000 Stimmen.
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