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Grundlegender Wandel

Streaming-Preiserhöhungen könnten Dauerzustand werden

Spezial/Schwerpunkt von Backstage PRO
veröffentlicht am 11.08.2023

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Streaming-Preiserhöhungen könnten Dauerzustand werden

Jeronimo Folguiera, CEO von Deezer. © Deezer

Regelmäßige Preiserhöhungen von Musik-Streaming-Diensten könnten in Zukunft zur Normalität werden. Das deuteten kürzlich Deezer-CEO Jeronimo Folgueira und Robert Kyncl, CEO der Warner Music Group, an. Damit würde sich ein grundlegender Wandel hin zu beständig steigenden Preisen vollziehen.

Anfang 2022 erhöhte der internationale Musikstreaming-Dienst Deezer erstmals seine Preise. Statt den üblichen 9,99 zahlten Mitglieder von nun an 10,99 Euro im Monat – ein riskantes Manöver, da  andere Musik-Streaming-Dienstleister bis dato die Preisgrenze von 9,99 nicht überschritten hatten.

Nachdem Apple Music im Oktober 2022 der weltweit zweitgrößte Streaming-Dienst aufgrund von gestiegenen Lizenzgebühren ebenfalls eine Preiserhöhung ankündigte, folgten im Verlauf des letzten Jahres nach und nach alle anderen großen Musikstreaming-Dienste, unter anderem Tidal, Youtube und Amazon Music Unlimited.

Spotify erhöhte ebenfalls in zahlreichen Ländern, nicht aber in Deutschland, den monatlichen Preis für eine Premium-Mitgliedschaft. 

Das Risiko zahlt sich aus

Aufgrund der Preiserhöhung fielen die Aktien der Streaming-Anbieter zunächst deutlich, erholten sich aber in der Folge ebenso rasch. Das hat einen offensichtlichen Grund: Anders als von manchen Analysten befürchtet, ist die Zahl der Premium-Abonennten nicht eingebrochen.

Wie der Deezer-Geschäftsführer Jeronimo Folgueira (Bild) im Rahmen des Finanzberichts vom 3. August bekannt gab, habe die Erhöhung keinerlei Auswirkungen auf die Anzahl der Premium-Abos gehabt. Diese Entwicklung zeige laut Folgueira deutlich, dass "Musik stark unterbewertet ist und dass Plattformen wie wir mehr Preissetzungsmacht haben als ursprünglich angenommen".

Das Nachziehen der Konkurrenz bietet Deezer die Gelegenheit, die Preisgestaltung in naher Zukunft erneut zu überprüfen. Für die 2. Hälfte von 2023 sei eine solche Erhöhung allerdings noch nicht geplant.

Ein Wendepunkt

Verschiedene Interessenvertreter der Branche stimmen zu, dass das digitale Abonnement-Angebot für Musik nach wie vor zu wenig monetarisiert ist. 

Im April 2023 erklärte Pershing Square Holdings (PSH), 10 prozentiger Teilhaber der Universal Music Group, gegenüber Investoren, die Preiserhöhung verschiedener Streaming-Dienste über 10 US-Dollar im Monat sei ein "Wendepunkt für das Musikgeschäft".

Bereits zuvor sagte die britische Investmentgesellschaft korrekt voraus, dass andere Dienste der Preiserhöhung von Deezer folgen würden. Nun erwartet PSH, dass regelmäßige Preiserhöhungen bei Musik-Anbietern genauso normal werden wie bei Streamingdiensten der Film-Branche.

Erst der Anfang

Auch der Geschäftsführer der Warner Music Group (WMG) Robert Kyncl begrüßt die Preiserhöhung aller großen Musik-Streaming-Dienste. Er betrachtet die steigenden Mitgliedskosten als "vernünftig" und einen "ermutigenden Anfang". Weiter erklärte er:

"Wir glauben, dass der Markt in Zukunft weitere Preiserhöhungen verkraften wird, und wir gehen davon aus, dass sie regelmäßiger als in der Vergangenheit erfolgen werden."

Bereits auf einer Konferenz im Frühjahr erklärte WMG Finanzchef Eric Levin, dass Preiserhöhungen bei Musikstreaming-Diensten in der Vergangenheit nicht üblich waren. Einen Wandel in der Preisgestaltung hält er für "längst überfällig". Auch Kyncl hat sich nicht zum ersten Mal in diesem Sinne geäußert.

Vergleiche mit Film-Abos

Robert Kyncl stimmt zu. Sein Argument: Hätte beispielsweise der Streaming-Dienst Spotify seinen Preis seit 2011 stetig der Inflation angepasst, läge der Preis für ein Premium-Abo inzwischen statt bei 9,99 bei 13,25 US-Dollar monatlich. 

Würden die Musik-Streaming-Anbieter dem Beispiel von Video-Anbietern wie dem Streaming-Dienst Netflix folgen, der seine Preise in den letzten 12 Jahren beinahe verdoppelte, läge der Preis für ein Monatsabo inzwischen bei nicht weniger als 19,37 US-Dollar.

Solche Preise strebe WMG derzeit nicht an, erklärt Kyncl. Er verweist lediglich auf die Entwicklung der Entertainment-Branche im Bereich Preisgestaltung.

Blick in die Zukunft

Mit regelmäßigen Preiserhöhungen werden die Nutzer/innen von Musikstreaming-Diensten in Zukunft wohl trotzdem rechnen müssen.

Im Juni 2023 veröffentlichte das Investmentbanking- und Wertpapierhandelsunternehmen Goldman Sachs in seinem jüngsten Music In The Air-Bericht Prognosen für den künftigen Wert der Musikindustrie. Grundlegende Annahme ist, dass Streaming-Preise in großen Märkten wie den USA oder Großbritannien künftig um durchschnittlich 3 % pro Jahr steigen werden.

Abkehr vom reinen User-Wachstum

Diese Entwicklung ist logisch, wenn man bedenkt, dass die Musik-Streaming-Anbieter jahrelang nur auf Wachstum der Nutzerzahlen gesetzt haben. Obwohl die Zahlen der Abonnenten/innen weiter wachsen, ergänzen die Anbieter ihr Geschäftsmodell um das stetiger Preiserhöhungen.

Da sich nun gezeigt hat, dass die betroffenen User keineswegs scharenweise ihre Abos kündigen, werden wiederkehrende Preiserhöhungen zur neuen Realität werden. Das gilt umso mehr, als das der Marktführer Spofity nach wie vor Verluste einfährt.

Spannend ist aber, dass die Frage der Preiserhöhungen auch mit einer Verbesserung der Entlohnung von Musikschaffenden einhergehen könnte.

Bessere Chancen für Künstler/innen?

Der Streaming-Dienst Deezer hat beispielsweise angekündigt, im Zuge der Preiserhöhung ein neues Modell zu schaffen, das "Künstler/innen, die wertvolle Inhalte generieren, besser belohnt". Dazu soll auch die Anfang 2023 bekannt gegebene Partnerschaft zwischen Deezer und Universal Music beitragen.

Bereits 2022 führte der Streaming-Dienst Tidal mit dem Premium-Abo HiFi Plus ein nutzerzentriertes Vergütungssystem ein, von dessen Einnahmen bis zu 10 % direkt an die Künstler/innen ausgezahlt werden.

Tidal CEO Jesse Dorogusker hält Musik genau wie Jeronimo Folgueira für "unterbewertet und unterschätzt"; Streaming sei für Künstler/innen derzeit einfach nicht profitabel genug. Auch Tidal untersucht, wie die Bezahlung von Künstler/innen und Rechteinhaber/innen durch Streaming-Dienste verbessert werden kann.

Neues Abrechnungsmodell

Aktuell analysiert Tidal in Zusammenarbeit mit der Universal Music Group ein neues, künstlerzentriertes Abrechnungsmodell, durch das Tidal "das Abonnentenwachstum beschleunigen, die Kundenbindung vertiefen" und einen Weg finden will, "die Fangemeinde zum Nutzen der Künstler/innen und der breiteren Musikgemeinschaft besser monetarisieren" zu können.

Apple Music kündigte ebenfalls an, dass ein Teil der erhöhten Abo-Kosten den Musikern/innen zukommen soll. Nicht überraschend steht Universal an der Spitze der Pläne, die Beteiligung von Musikern an den Streaming-Einnahmen grundsätzlich zu verbessern.

Allerdings ist es bisher hauptsächlich bei Absichtserklärungen, Plänen und der Ankündigung von Studien geblieben. Tatsächliche Veränderungen haben sich nur ansatzweise ergeben.

Fest steht aber auch: Im Musik-Streaming-Business ist aktuell einiges in Bewegung geraten.

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