×

Nach Preisanhebung bei Apple Music

Trendwende am Streaming-Markt: Was bedeuten die Preiserhöhungen für Musiker/innen?

Spezial/Schwerpunkt von Florian Endres
veröffentlicht am 11.11.2022

streaming apple music gema verwertungsgesellschaften musikereinkommen deezer

Trendwende am Streaming-Markt: Was bedeuten die Preiserhöhungen für Musiker/innen?

© Viktor Forgacs via Unsplash

Apple wird die Abogebühren für den eigenen Streamingdienst Apple Music erhöhen; weitere Streamingdienste werden dem Vorbild wohl folgen. Doch was bedeutet diese Entwicklung für den Streaming-Markt – und können Künstler/innen bald mit einer faireren Entlohnung rechnen?

Ende Oktober 2022 gab der Tech-Riese Apple bekannt, die monatlichen Abo-Gebühren für den hauseigenen Streamingdienst Apple Music in den USA von 9,99 Dollar auf 10,99 Dollar zu erhöhen – eine Preissteigerung, die früher oder später auch in Deutschland ankommen wird.

Grund dafür sind laut Apple in erster Linie gestiegene Lizenzgebühren, die bekanntlich zwischen Urheber/innen, ausübenden Künstler/innen, Labels und Musikverlagen aufgeteilt werden. 

Nicht die Ersten

Apple ist nicht der erste Konzern, der seine Abo-Gebühren erhöht: Im Februar 2022 hatte bereits Deezer den Preis (auch in Deutschland) von 9,99 Euro auf 10,99 Euro erhöht. Amazon hatte im September angekündigt, den Preis für Amazon Prime – was auch den Streamingdienst Amazon Music beinhaltet – von 7,99 auf 8,99 US-Dollar zu erhöhen.

YouTube hat zudem die Kosten seines Premium-Tarifes für Familien in den USA und Kanada um 5 Dollar pro Monat erhöht, in Großbritannien betrug die Erhöhung zwei britische Pfund. In Deutschland gibt es noch keine Ankündigung für Preiserhöhungen, aber Branchenbeobachter erwarten diese in naher Zukunft.

Beginn eines Trends?

Dass Deezer diesen Schritt bereits Anfang 2022 gewagt hat, ist durchaus bemerkenswert, da der Streaming-Dienst im Vergleich zu den Branchenriesen geringere Nutzerzahlen aufweist. Für den Streaming Markt ist die Entscheidung von Apple Music jedoch von weitaus größerer Bedeutung – immerhin handelt es sich bei Apple Music nach Spotify um den zweitgrößten Streamingdienst

Apropos Spotify: Nachdem Daniel Ek, CEO des schwedischen Streaming-Riesen, sich jahrelang kategorisch gegen eine Preiserhöhung gewehrt hat, zeigte er sich im Rahmen der Veröffentlichung des jüngsten Quartalsberichtes erstmals offen gegenüber einer Anhebung der Abo-Gebühren

Was ist schon ein Euro?

Im Hinblick auf Apple lässt sich feststellen, dass der Konzern mit der Preiserhöhung als bisher größtes Streaming-Unternehmen mit einem eisernen Grundsatz der (Audio-)Streamingökonomie gebrochen hat – nämlich mit der Prreisgrenze von 9,99 Euro bzw. Dollar.

In den vergangenen Jahren glichen sich Streamingdienste wie Spotify, Apple oder Deezer in ihrer Preisgestaltung insofern, als sie allesamt die gleichen Abokosten verlangten.

Während eine Absenkung des Monatsbeitrages aufgrund der ähnlichen Songkataloge – und damit der ähnlichen Lizenzgebühren – im Hinblick auf die Profitabilität der Unternehmen kaum möglich gewesen wäre (und es auch noch immer nicht ist), hätte sich eine Erhöhung des Preises negativ auf die Konkurrenzfähigkeit ausgewirkt. 

Die nächste Phase

Dass Apple nun mit diesem Paradigma bricht, zeigt, dass sich die Art und Weise, wie Streamingdienste miteinander konkurrieren, nachhaltig verändert hat – die Preiserhöhung versinnbildlicht, dass der Streaming-Markt in eine neue Phase eingetreten ist. 

Während Pricing und Angebot lange Zeit fast identisch waren, entwickelte sich eine Konkurrenz im Hinblick auf Sekundärfeatures – die Suche nach dem USP, dem unique selling point. Nachdem schnell klar wurde, dass exklusive Album-Releases dies nicht sein konnten, konkurrierten die Plattformen u.a. mit exklusiven Podcasts, mit Behind-the-Scenes-Material oder auch höheren Audio-Qualitäten. 

Bonusmaterial

Gerade im Hinblick auf die Audio-Qualität hat sich dabei ein umkämpfter Markt entwickelt: Während Spotify Gerüchten zufolge ein Hi-Fi-Abo plant, das den Nutzerinnen und Nutzern (gegen Aufpreis) Zugriff auf hochauflösende Musik bieten soll, ist HiFi bei vielen anderen Anbietern im normalen Abonnement integriert.

Einige der anderen Anbieter bieten dahingegen weitere Features gegen Aufpreis an: Bei TIDAL sind für einen Monatspreis von 19,99 Euro nicht nur Zusatzfeatures wie Dolby Atmos und Sony 360 Reality Audio erhältlich, sondern auch die Garantie, dass bis zu 10 Prozent der Abo-Gebühr an die meistgehörten Artists abgeführt werden. 

Streaming-Anbieter in der Pflicht

Mit der Preiserhöhung von Apple Music verlagert sich die Konkurrenz von einem Wettrennen um das attraktivere (Zusatz-)Angebot zu der Frage, welcher Dienst die beste Leistung zum günstigsten Preis bietet. Anders gesagt können sich die Kundinnen und Kunden nun erstmals entscheiden, wie viel sie zu zahlen bereit sind. 

Gleichzeitig wird auch die Frage nach einem gerechten Streaming-Ökosystem zunehmend wichtiger: So kündigte beispielsweise Apple an, dass ein Teil der erhöhten Abo-Kosten den Künstlerinnen und Künstlern zukommen wird. 

Die deutsche Verwertungsgesellschaft GEMA nimmt die aktuelle Diskussion daher zum Anlass, auch die übrigen Anbieter im Musikstreaming in die Pflicht zu nehmen: Einem Bericht der Musikwoche zufolge mahnt der Vorstandsvorsitzende Harald Heker die anderen Streamingdienste, nachzuziehen und ihrerseits ebenso die Preise zu erhöhen.

Mehr vom Kuchen

Wie Heker gegenüber der Musikwoche erklärte, seien die anderen Anbieter gefragt, die Künstlerinnen und Künstler durch erhöhte Preise mehr am Gewinn des boomenden Streamingmarktes zu beteiligen: Studien, darunter auch eine von der GEMA selbst durchgeführte, belegten, dass das Streamingwachstum der letzten Jahre zu einem großen Teil auf Kosten der Musikschaffenden generiert wurde – damit müsse endlich Schluss sein:

"Mit Blick auf die Aufteilung der Streaming-Erlöse wird darauf zu achten sein, dass bestehende Ungleichgewichte abgebaut werden und die Urheberinnen und Urheber von Musik in deutlich stärkerem Maße am Erfolg des Musikstreamings partizipieren als bisher."

Im Zuge dessen habe die GEMA "zuletzt immer wieder darauf hingewiesen, dass der Streaming-Kuchen insgesamt größer werden” müsse. Immerhin seien die “kreativen Leistungen” der Interpreten “der Ausgangspunkt der gesamten Streaming-Ökonomie."

Die Frage der Gerechtigkeit

Angesichts der steigenden Lizenzkosten ist es sicher, dass ein Teil der erhöhten Abo-Gebühr zumindest an die Labels fließen wird – und von dort im besten Fall weiter an die Künstlerinnen und Künstler.

Dabei ist jedoch zu bedenken, dass auch Labels ihren Teil dazu beitragen, dass Artists nur geringe Auszahlungen durch das Audiostreaming erhalten: Inwiefern die simple Erhöhung der Abo-Gebühren also zu einem signifikanten "Abbau der Ungleichgewichte" beiträgt, wie ihn die GEMA fordert, ist fraglich. 

Riskante Manöver

Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche Auswirkungen Preiserhöhungen auf die Nutzerzahl haben werden: Wie Forbes berichtet, waren bereits bei dem Videostreaming-Portal Netflix starke Nutzereinbrüche als Reaktion auf Preiserhöhungen zu beobachten. 

Gerade in der aktuellen Phase wirtschaftlicher Unsicherheiten könnten Preiserhöhungen im Audiostreaming-Segment dazu führen, dass sich Nutzer/innen zur Kündigung entscheiden, was wiederum erneut negative Auswirkungen auf die an Künstlerinnen und Künstler ausgeschütteten Tantiemen haben könnte. 

Aktien im Sinkflug

Die Preiserhöhung von Apple Music – und die wahrscheinlich folgenden Preiserhöhungen anderer Anbieter – zeigen also, in welchem empfindlichen Gleichgewicht die Streamingdienst agieren. Sie müssen nicht nur Lizenzgebühren und Abonennten-Zahlen im Auge behalten, sondern auch den Aktienkurs.

Die Aktien der meisten Streaming-Services befinden sich seit ihren Höchstständen im Jahr 2021 im Sinkflug. So verlor die Aktie von Spotify seit Februar 2021 knapp 70% ihres Wertes. Die Netflix-Aktie  erlebte einen Rückgang von mehr als 60% und die Deezer-Aktie verlor seit dem Börsengang im Juli 2022 knapp 40%. 

Ein schwerer Kampf

Das verdeutlicht, wie schwierig es ist, das Ziel einer gerechten Entlohung für Musikerinnen und Musiker zu verwirklichen.

Die Unternehmen finden leicht Gründe, warum eine höhere Entlohnung nicht möglich ist: die allgemeine wirtschaftliche Lage, den Aktienkurs, die Sorge um Nutzerzahlen und welches Argument sich gerade findet. Wer an den kärglichen Tantiemen für Musiker bei Streaming-Diensten etwas ändern möchte, benötigt einen langen Atem.

Ähnliche Themen

Britische Studie zeigt: Illegale Musiknutzung nimmt wieder zu

Nach zwischenzeitlichem Rückgang

Britische Studie zeigt: Illegale Musiknutzung nimmt wieder zu

veröffentlicht am 14.07.2023

Apple veröffentlicht "Apple Music Classical", eine Streaming-App für klassische Musik

Neues Angebot für Klassik-Fans

Apple veröffentlicht "Apple Music Classical", eine Streaming-App für klassische Musik

veröffentlicht am 20.03.2023

Newsletter

Abonniere den Backstage PRO-Newsletter und bleibe zu diesem und anderen Themen auf dem Laufenden!