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Flexibilität ist gefragt

5 Wege, um von Musik zu leben – und ihre Vor- und Nachteile

Tipps für Musiker und Bands von Martell Beigang
veröffentlicht am 22.09.2023

musikproduktion berufswelt plan b

5 Wege, um von Musik zu leben – und ihre Vor- und Nachteile

© Anton Mislawsky via unsplash.com

Manche Menschen leben für die Musik. Und manche träumen davon, nicht nur für, sondern auch von der Musik zu leben. Glücklicherweise kenne ich einige Kolleg*innen, die es geschafft haben, diesen Traum Realität werden zu lassen. Um das zu schaffen, müsst ihr bereit sein, eure Traumvorstellungen immer wieder zu hinterfragen, um sie der Realität anzupassen.

Früher bestand mein Traum daraus, in einer Band zu spielen, die einen Hit schreibt und von da an bis zum Lebensende aller Bandmitglieder auf Tour geht. Jetzt mal Hand aufs Herz: Wie viele Bands kennt ihr, die diesem Bild entsprechen?

Eine erfolgreiche Karriere als Musiker*in besteht nach meiner Beobachtung aus einem Mosaik ganz verschiedener Tätigkeiten, die im Idealfall alle mit Musik zu tun haben. Mit meinem Beitrag möchte ich euch inspirieren, euch genau nach solchen Möglichkeiten umzuschauen.

Als Musiker*in gibt es aus meiner Sicht grundsätzlich folgende Möglichkeiten, Einnahmen zu erzielen:

  • Live-Auftritte

  • Musikproduktion

  • Musik-Verwertung

  • Vermittlung von Musik

  • Weitere musikalische Tätigkeiten

Live-Auftritte

Am liebsten verdiene ich mein Geld mit Konzerten – im Schnitt sind es um die 100 pro Jahr. Die Königsklasse bleibt für mich das Spielen selbst geschriebener Musik. Bislang hatte ich zweimal im Leben das Glück, Mitglied einer Band zu sein, die einen Deal bei einer großen Plattenfirma hatte, sodass ich davon leben konnte.

Aber es gibt natürlich unzählige andere Möglichkeiten, Musik live aufzuführen. Hier ein paar naheliegende und für euch vielleicht auch etwas überraschende Beispiele: Covermusik, Tribute-Musik (das Covern nur einer Band oder Künstler*in, wobei man versucht, dem Original möglichst nahe zu kommen), Musik in neuem Gewand (z.B. Punk-Hits als Bossa Nova oder klassische Musik als Jazz...), Kindermusik, Theatermusik, musikalischer Rahmen für Kabarett, Comedy oder Zaubershows, Musik auf Hochzeiten oder bei Beerdigungen, Karnevalsmusik.

Bei den genannten Beispielen ist der Übergang zwischen künstlerischer Arbeit und Dienstleistung fließend. Bei Cover- oder Tributemusik ist es ungleich schwerer bis unmöglich, überhaupt als Künstler*in wahrgenommen zu werden. Andererseits besteht dort viel eher die Möglichkeit, angemessen bezahlt zu werden. 

Um dieselbe Gage mit eigener Musik zu erzielen, muss man schon ziemlich bekannt sein. Oft ist das Aufführen eigener Musik ein Minusgeschäft und ich kann es inzwischen gut verstehen, wenn man es lieber als Hobby betreibt und sein regelmäßiges Einkommen mit einem anderen Beruf generiert.

Der Musik nicht nur als Hobby, sondern in professionellem Rahmen nachzugehen, hat den Vorteil, dass man immer im Thema bleibt und sich täglich weiterentwickelt. Einnahmequellen sind hier neben der Tätigkeit als Livemusiker auch die eines Musical Directors, der eine Liveband koordiniert und Proben leitet. Manche Musiker*innen wechseln gleich die Seite und werden Veranstalter*innen oder Booker*innen.

Musikproduktion

Im Studio Musik aufzunehmen ist ebenfalls eine interessante Einnahmequelle für Musiker*innen, obwohl man ehrlicherweise zugeben muss, dass die goldene Ära der Studios vorbei ist. Das liegt daran, dass immer weniger Tonträger verkauft werden und die Möglichkeiten der Musikproduktion im Heimstudio massiv gewachsen sind. 

Früher (bis ungefähr zum Beginn der 2000er Jahre) konnten die großen Plattenfirmen mit ihren erfolgreichen Produkten ihre weniger lukrativen Produkte mitfinanzieren. Und selbst bei diesen flossen üppige Vorschüsse an ihre Künstler*innen, die davon leben und ihre Studioaktivitäten finanzieren konnten.

Da die technischen Hürden zur Musikproduktion inzwischen drastisch niedriger geworden sind, wird heutzutage viel zu Hause produziert. Zahlreiche Hits und Erfolgsalben sind in Wohnzimmern oder anderen Räumen enthalten.

Eine Einnahmequelle neben der Betätigung als Studiomusiker*in ist die als Arrangeur*in, der sich darum kümmert, was jedes Instrument spielt. Eine weitere Rolle ist die des Produzenten bzw. der Produzentin, der bzw. die alle anderen künstlerischen Entscheidungen trifft. 

Neuerdings gibt es auch die Möglichkeit, seine Dienste als Studiomusiker*in im Netz anzubieten, was einige Kolleg*innen erfolgreich machen.

Musik-Verwertung

Wenn die Musik entstanden ist und zur Verfügung steht, kann sie verkauft werden. Wie gerade schon angesprochen, ist der Tonträgerverkauf eine Einnahmequelle, die leider dabei ist, zu versiegen. 

CDs werden heutzutage, auch auf Konzerten, eher selten verkauft, der bezahlte Download geht zurück. Vinyl und Kassetten sind im Kommen und für einige Bands sicher ein Faktor. Es wird heutzutage wie wild gestreamt und obwohl dort auch viel Geld umgesetzt wird, kommt bei den Künstler*innen selbst relativ wenig an. Streaming lohnt sich erst bei mehr als einer Million Streams.

Alles oben genannte färbt natürlich auch auf die Gewerke der Musikproduktion ab. Auch in dieser Hinsicht ist die goldene Zeit der großen Tonstudios und damit der Produzent*innen vorbei, aber natürlich wird immer noch Musik produziert. 

Allerdings geht dabei die Schere zwischen ambitionierter Musik, die selbst produziert wird und keine Einnahmen generiert und Musik, die von Firmen bezahlt wird, immer weiter auseinander. Heutzutage steigen Plattenfirmen sehr spät ein und bieten keine Rundum-Sorglos-Pakete mehr. 

Oft setzt der Abschluss eines Plattenvertrags schon voraus, auf irgendeine Art und Weise am Markt etabliert zu sein. Dann kann das zusätzliche Engagement eine Karriere tatsächlich befeuern.

Labels heutzutage aber bauen niemanden mehr von Null an auf, sodass die Vorfinanzierung von Musik am Anfang bei den Künstler*innen hängen bleibt und meist nur unter enormer Selbstausbeutung möglich ist.

In diesem Zusammenhang fällt mir ein Kollege ein, der sehr erfolgreich Musik komponiert und diese in Libraries einstellt, die dann weltweit von Firmen für Videos benutzt werden.

Das ist ein gutes Beispiel für neue Märkte, die entstehen, wenn sich die Technologie verändert. Als Künstler*in ist man angehalten, ständig kreativ zu bleiben und es als Chance zu begreifen, sich den veränderten Lebensumständen anzupassen. Ich erinnere nur an die Streaming-Konzerte zu Corona-Zeiten. Manche Musiker*innen haben das sehr erfolgreich gemacht.

Eine dankbare Einnahmequelle kann es sein, GEMA-Tantiemen für Musik zu erhalten, die man selbst komponiert oder deren Texte man geschrieben hat. Diese Musik kann beispielsweise in Film- und Fernsehproduktionen oder in der Werbung an. Dafür fallen entsprechend GEMA Tantiemen an.

Das ist sogar heutzutage noch eine ziemlich lohnende Geldquelle. 2022 hatte die GEMA ihr bislang lukrativstes Jahr. Also, bitte versucht zeitlebens Credits an der Musik zu erhalten, an deren Entstehung ihr beteiligt seid.

Wenn ihr nicht selbst komponiert, aber im Studio gespielt habt oder ein Konzert von euch fürs Radio oder Fernsehen aufgezeichnet und ausgestrahlt wird, bekommt ihr als Musiker*in Tantiemen von der GVL. Das setzt allerdings voraus, dass ihr bei der GVL registriert seid und die entsprechenden Aufnahmen angemeldet worden sind.

Immer noch lukrativ ist es für Bands, Merchandise auf ihren Konzerten zu verkaufen, also T-Shirts oder andere gebrandete Dinge.

Vermittlung von Musik

Ein großes Feld ist die Musikvermittlung, also der Unterricht oder das Coachen von Musiker*innen. Das würde ich im Folgenden gerne etwas auffächern. Zunächst die offensichtlichen Möglichkeiten des Instrumentalunterrichts. Darüber habe ich auch schon mal einen Artikel geschrieben.

Es ist möglich, diesen Job in Festanstellung an Musikschulen oder privat zu Hause zu erledigen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, eine eigene Musikschule zu gründen. Ich hatte mal einen Job, bei dem ich einen Schlagzeuger coachen durfte, der in einem Film überzeugend performen musste. Und was ich immer gerne mache, ist es Bands zu coachen. 

Seit einiger Zeit gebe ich auch Workshops zum Thema Songwriting, bei denen ganze Songs von Grund auf entstehen und aufgenommen werden. Dadurch bin ich irgendwann auch an eine normale Schule gekommen, die mit einer Musikschule kooperiert. Diese schickt Musiker*innen zu den Schüler*innen, um sie spielerisch anzuleiten, erste eigene Erfahrungen mit Instrumenten zu machen.

Ein relativ neuer Trend ist es, über Streaming Plattformen zu unterrichten. Manche Musiker*innen sind inzwischen auch darauf spezialisiert, Content zum Lernen zu erstellen. Andere wiederum posten erfolgreich ihre eigene Musik im Netz, was ihnen zahlreiche Follower beschert, die Einnahmen generieren – zum Beispiel über Youtube.

Weitere musikalische Tätigkeiten

Diese Kategorie sammelt die ganzen interessanten Nischen-Tätigkeiten, die ich bereits in meiner Backstage PRO Kolumne "Plan B" beschrieben habe. Hier einige weitere Beispiele: Komponist für Videospiele, Komponist für Theatermusik, Business-Coach für Musiker, Hochzeitssänger, Musik-Pluggerin (Auswahl von Musik für Filme).

Über Musik zu schreiben, zum Beispiel Albumkritiken, Liveberichte oder Bücher, würde ich auch dazu zählen. Ich selbst habe auch schon drei Romane verfasst, die in der Welt Musik spielen und dazu ein eher biografisches Buch ("Musik ist King").

Fazit und Bitte um Feedback

Ich hoffe, meine Auflistung ganz unterschiedlicher Tätigkeiten im Zusammenhang mit Musik konnte euch inspirieren. Alle Themen, die ich angerissen habe, ließen sich noch unendlich differenzieren. 

Wenn im Kalender das nächste Mal zu wenig Gigs stehen, überlegt euch doch vielleicht: Kann ich wirklich nur im Musikclub spielen? Wo brauchen die Menschen überall Musik: Stadtfest, Jam Session, Sofa-Konzert, Jubiläumsfeier.

Und wenn das nicht hilft: Was könnte ich sonst mit meinem Know How über Musik noch anfangen, wem könnte ich helfen, wer könnte von meiner Anwesenheit profitieren?

Für mich bleibt es das Schönste jeden Tag mit Musik zu tun zu haben, sei es als Livemusiker, Komponist oder als Pädagoge. Und ich hoffe, dass ihr ebenso viel Spaß dabei habt.

Ich wünsche euch ganz viel Erfolg bei der Umsetzung eures Traumes.

Schreibt mir gerne, wenn ich irgendeinen Aspekt übersehen haben sollte oder wenn ihr mir eine originelle Nische vorstellen wollt.

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